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Vorteile und Nachteile von Gesundheits-Apps

Gesundheitsapps Pexels/Torsten Dettlaff

Bedeuten Gesundheits-Apps Entlastung oder mehr Kopfschmerzen?

  • Pexels/Torsten Dettlaff
  • 4. April 2022

Wir alle kennen Mindfulness-Apps gegen Stress, Millionen Deutsche haben die Corona-Warn-App heruntergeladen, und der eine oder die andere hat bereits mit digitaler Unterstützung das Rauchen aufgegeben. Digitale Anwendungen für Gesundheitsthemen boomen. Doch App ist nicht gleich App.

Seit 2020 dürfen Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen digitale Anwendungen verschreiben. Mittlerweile nutzen immer mehr Menschen die digitalen Helfer zur Unterstützung ihrer Gesundheit. Grund genug, das Thema einmal näher unter die Lupe zu nehmen.

Was genau meint man mit „Gesundheits-Apps“?

Im weiteren Sinne versteht man unter Gesundheits-Apps alle Digital-Health-Anwendungen. Das können sowohl Therapie-Apps für Rückenbeschwerden als auch Wellness-Anwendungen sein oder Coaching-Apps, die bei der Rauchentwöhnung helfen. Im engeren Sinne bezeichnen Gesundheits-Apps ein Medizinprodukt, man spricht dann von Digitalen Gesundheits-Anwendungen (DiGA), egal ob App-basiert oder als Browser-Anwendung. Man sagt dazu auch „App auf Rezept“, weil diese Anwendungen von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen verschrieben werden können. Die Kosten für diese Digitalen Gesundheits-Anwendungen auf Rezept werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
 


Immer mehr digitale Anwendungen seit Beginn der Coronapandemie

Besonders Anwendungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen haben in der ersten Hochphase der Coronapandemie einen Schub bekommen. Dazu zählen Online-Therapien und therapieunterstützende Apps, die zum Beispiel bei Angststörungen oder Suchtproblemen eingesetzt werden. Apps die Online-Therapie anbieten und daher ortsungebunden sind, füllen gerade in Deutschland, wo es zumindest für Kassenpatient:innen oft sehr schwer ist vor Ort in der eigenen Stadt einen Therapieplatz zu bekommen, eine Marktlücke. Allerdings muss hier von Patient:in zu Patient:in individuell abgeschätzt werden, ob eine Online-Therapie wirklich den persönlichen Kontakt zwischen Therapeut:in und Patient:in ersetzen kann. Außer den von Psychotherapeut:innen und Ärzt:innen empfohlenen und verschriebenen Apps gibt es aber noch unzählige weitere Angebote im Bereich E-Mental-Health. Doch nicht alle halten, was sie versprechen.

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Das Problem mit den frei verfügbaren Apps

Nur bei wenigen Apps wurde bisher die Wirksamkeit in einer Studie überprüft, die wissenschaftlichen Standards standhält. So bleibt das Risiko, dass sie mehr schaden als nutzen. Der Markt für Depressions-Apps ist beispielsweise riesig, viele dieser Apps bieten auch eine Diagnose-Funktion an. Wenn Menschen, denen es nicht gut geht, von solchen Apps die (möglicherweise sogar falsche) Diagnose „schwere Depression“ bekommen, stürzt sie das vielleicht noch tiefer in die Verzweiflung. Ein:e Psychotherapeut:in weiß in so einer Situation zu intervenieren, eine App kann das nicht. 
 


Gesundheits-Apps helfen beim Durchhalten einer Therapie

Einer der großen Vorteile von Gesundheits-Apps ist, dass sie Menschen dabei helfen können, eine Therapie von Anfang bis Ende durchzuhalten. Bei vielen chronischen Krankheiten ist es beispielsweise wichtig, die Therapie genau zu befolgen. Das nennt man Therapietreue oder fachsprachlich Adhärenz. Nicht immer halten sich Patient:innen an die Einnahme verordneter Medikamente. So hat man herausgefunden, dass die Hälfte aller Bluthochdruck-Patient:innen nach einem Jahr ihre Medikamente nicht mehr einnimmt. Eine Erinnerungs-App kann dabei helfen, das Einnahmeschema beizubehalten.

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Das Problem mit dem Datenschutz

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Daten, die solche Apps sammeln, hochsensibel und persönlich sind. Immer wieder geraten frei verfügbare Gesundheits-Apps wegen Datenschutzproblemen in die Schlagzeilen, beispielsweise weil sie Nutzer:innendaten an Facebook und Co. weitergegeben haben. Daher ist es wichtig, auf Apps zu setzen, die personenbezogene Daten ausreichend schützen. Ein Blick in die Datenschutzerklärung zeigt beispielsweise, welche externen Dienstleister:innen für die App-Funktionen hinzugezogen werden. Das betrifft zum Beispiel viele Tracking- und Analyse-Funktionen.

Tech-Giganten und Gesundheit

Ein weiterer Aspekt, der bedacht werden muss, wenn es um Gesundheit und Technik geht, ist inwieweit sich Tech-Giganten wie beispielsweise Amazon, Apple und Google ins Gesundheitswesen einmischen sollten. Diese Unternehmen verfügen über gigantische Datenmengen, die einerseits große Potenziale haben, andererseits aber auch Risiken bergen können, beispielsweise für Privatsphäre und Sicherheit. In der Studie „Tech-Giganten im Gesundheitswesen“ hat sich die Bertelsmann Stiftung näher mit dem Thema auseinandergesetzt.

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Wie finde ich die richtige Gesundheits-App für mich?

Macht dir die Suche nach der richtigen App schon jetzt Kopfschmerzen? Allein für den Suchbegriff „Kopfschmerz“ findet man Dutzende Apps, im englischsprachigen Raum noch weitaus mehr. Doch woher weiß man, welche App etwas taugt und ob die Daten dort gut aufgehoben sind? Sich allein auf Nutzer:innenbewertungen zu verlassen, ist keine gute Idee. Ein Blick in das sogenannte „DiGA-Verzeichnis“ des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte bietet eine erste Hilfestellung. Die Digitalen Gesundheitsanwendungen in diesem Verzeichnis wurden staatlich geprüft und anhand bestimmter Kriterien bewertet.

Zu Risiken und Nebenwirkungen …

Klar, Gesundheits-Apps ersetzen keine Sprechstunde. Der Austausch zwischen Ärzt:innen und Patient:innen kann aber durch App-Anwendungen unterstützt und verbessert werden, zum Beispiel weil die behandelnden Ärzt:innen Zugang zu Daten bekommen, die die App gespeichert hat. Einige Fachleute sehen in Gesundheits-Apps sogar das Potenzial, die Gesellschaft als Ganzes zu verändern, indem sie Selbstorganisation und Offenheit durch niedrigschwellige Angebote fördern.

Technologie im Dienst der Gesundheit – klingt gut, oder? Aber wo genau liegen die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des digitalen Wandels im Gesundheitssystem? Die Bertelsmann Stiftung setzt sich für nutzenstiftende Digitalisierung ein, sowohl bei den medizinischen Angeboten als auch in der Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Patient:innen.