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change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

So sagt die Dating-App Bumble Bodyshaming den Kampf an

Bodyshaming: Eine Frau sitzt über ihre Knie gebeugt auf dem Boden. Verne Ho - unsplash.com/license

Warum Bodyshaming auf Dating-Apps ein Problem ist – und was dagegen getan werden kann

  • Verne Ho - unsplash.com/license
  • 26. März 2021

Eigentlich ist es auf Dating-Apps sehr einfach, Menschen aus dem Weg zu gehen, die einem optisch nicht zusagen: Man wischt sie einfach nach links. Wie und warum auch Dating-App-Nutzer:innen immer wieder Bodyshaming erfahren und was dagegen unternommen werden kann – change erklärt’s.

Man sei zu klein oder zu groß, habe zu viele oder zu wenige Haare, sei zu dick oder zu dünn, habe eine krumme Nase oder einen Damenbart. Bodyshaming, also die Abwertung des Aussehens einer anderen Person mit verletzenden und negativen Kommentaren, kennt so gut wie jede:r in mehr oder weniger ausgeprägter Form. Das Problem erfährt in jüngster Zeit zum Glück mehr Aufmerksamkeit, auch bei den Dating-Apps.

Bodyshaming kann schwere Folgen für die Gesundheit haben

Auch wenn sie es sich selbst nicht eingestehen können, haben die Täter:innen mit ihren Kommentaren eigentlich nur ein Ziel: die betroffene Person zu verletzen. Indem sie die Körper und das Selbstbewusstsein der Opfer schlechtmachen, maßen sie sich eine vermeintliche Deutungshoheit an, die sie in eine ebenso vermeintliche Machtposition bringt. Bodyshaming-Kommentare mögen zwar oft wie Kleinigkeiten wirken, können aber schwere Folgen für die seelische und körperliche Gesundheit der Betroffenen haben. Das zeigt unter anderem eine Studie der Bucknell University, die den Zusammenhang zwischen Körperbild und körperlicher Gesundheit von Frauen untersucht hat. Die befragten Frauen, die sich mit ihrem Körper unwohl fühlten, wurden öfter krank als die Studienteilnehmerinnen, die ihren Körper mögen.
 


Jede:r Vierte hat auf sozialen Netzwerken oder Dating-Apps bereits Bodyshaming erfahren

Online ist die Hemmschwelle für Bodyshaming noch geringer als im echten Leben. Selbst vor Dating-Plattformen machen Täter:innen keinen Halt, obwohl es dort eigentlich sehr einfach wäre, den Menschen, die einem optisch nicht gefallen, aus dem Weg zu gehen: Swipe left. Trotzdem haben laut einer Umfrage der Dating-App Bumble unter 1.003 Befragten in Großbritannien 23 Prozent angegeben, auf Social-Media- oder Dating- Plattformen bereits Bodyshaming erlebt zu haben. Das ist jede:r Vierte. Bumble hat daraus Konsequenzen gezogen und angekündigt, Bodyshaming nicht mehr zu dulden.
 

Zwei Personen mit Denim-Klamotten halten Händchen.

Die Algorithmen der Dating-Apps: Wer matcht wen – und warum?


Bodyshaming-Verbot bei Bumble

Umgesetzt werden soll dieses Verbot einerseits durch Nutzer:innen. Sie sollen den Administrator:innen abwertende Nachrichten oder Kommentare melden. Zum anderen werden Algorithmen eingesetzt, die eventuell diskriminierende Sprache erkennen und die Inhalte dann zur Prüfung an Content-Moderator:innen weitergeben. Wenn es sich bei einem Kommentar tatsächlich um Bodyshaming handelt, folgt erst einmal eine Verwarnung. Fällt die Person erneut so auf, löscht Bumble das Profil. Neben zum Beispiel explizit beleidigenden Fatshaming-Kommentaren stuft Bumble auch Beschreibungen von bevorzugten Körperformen als Bodyshaming ein, also wenn jemand zum Beispiel eine bestimmte Körpergröße zur Bedingung macht oder eine schlanke, sportliche Figur.
 


Diskriminierungsfreie Räume durch mehr Überwachung?

Was auf den ersten Blick positiv wirkt, hat auch eine Schattenseite: mehr Überwachung. Um diskriminierende Sprache erkennen zu können, müssen die privaten Chats der Bumble-Nutzer:innen durch den Einsatz von Algorithmen geprüft werden. Die App verfolgt einen erzieherischen Ansatz, der davon ausgeht, dass viele Nutzer:innen erst noch lernen müssen, wie man Sprache diskriminierungsfrei einsetzt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es sich bei den Nutzer:innen um erwachsene Menschen handelt. Vielleicht wäre es sinnvoller, darauf zu vertrauen, dass Bodyshaming von den Betroffenen gemeldet wird, als auf Überwachung durch Algorithmen zu setzen. Um den Einsatz von Algorithmen und Dating-Apps geht es auch in der ersten Folge der Podcast-Reihe „Zukunft gestalten“ der Bertelsmann Stiftung mit dem Thema „Künstliche Intelligenz und menschliche Vernunft“:


Die Wurzeln des Bodyshamings

Warum ist Bodyshaming – online und offline – so weit verbreitet? Und warum triggern bestimmte äußere Merkmale so sehr, dass Mitgefühl und Anstand vergessen und Mitmenschen auf Äußerlichkeiten reduziert und beleidigt werden? Einerseits ist es normal, dass wir uns viel mit unserem eigenen Körper beschäftigen, schließlich begleitet er uns ständig. Auch die Beschäftigung mit dem Aussehen anderer Menschen ist nachvollziehbar. Der Mensch lernt viel durch Nachahmung, von frühester Kindheit an. Dafür ist die Beobachtung anderer Menschen der wichtigste Baustein.
 


Problemzone? Gesellschaftsstrukturen!

Was aber bringt uns dazu, uns übermäßig mit unseren Äußerlichkeiten und denen anderer Mensch zu beschäftigen? Die mediale Bombardierung über Werbung und soziale Netzwerke mit vermeintlich idealen Körpern trägt wesentlich dazu bei. Das Versprechen, unser Leben durch Körperoptimierung viel besser, schöner und erfolgreicher machen zu können, lauert an jeder Ecke. So gesehen ist die Besessenheit von Äußerlichkeiten kaum verwunderlich. Hier liegt die Wurzel von Bodyshaming. Menschen, deren Äußeres nicht in unser Schema des idealen Körpers passt, stören und müssen sanktioniert werden. Das geschieht sehr selten bewusst. Meistens versteckt sich das Bodyshaming hinter der angeblichen Sorge um die Gesundheit oder einem Kompliment, das eigentlich eine Beleidigung ist – zum Beispiel: „Für dein Alter siehst du aber noch gut aus.“

Die beste Formel gegen Bodyshaming

Eine kleine Formel, die gegen Bodyshaming-Impulse helfen kann, ist folgende: Am besten weist man eine andere Person nur dann auf eine Äußerlichkeit hin, wenn es sich um etwas handelt, was in wenigen Sekunden berichtigt werden kann. Also beispielsweise ein offener Reißverschluss an der Hose oder Essensreste im Gesicht. Alles andere ist selten zielführend und verletzt nur.

Wenn du mehr über Dating-Apps und die Algorithmen dahinter erfahren möchtest, dann höre die Folge „Künstliche Intelligenz und menschliche Vernunft“ aus der Podcast-Reihe „Zukunft gestalten“ der Bertelsmann Stiftung.