Raus aus der Kreidezeit: Wie Schule digital wird
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Sabina Paries
- 11. August 2022
An vielen Schulen in Deutschland hat sich während der Coronalockdowns der schlechte Stand der Digitalisierung schmerzhaft offenbart. Wie gelingt die digitale Transformation der Schule?
Du erinnerst dich vielleicht noch an das Geräusch von Kreide auf der Schultafel. Mit ihm sind Generationen von Schüler:innen aufgewachsen. Die früheste Abbildung einer Kreidetafel stammt von 1653. Zeit, dass sich am Frontalunterricht etwas ändert? Ein Bildungsprojekt hat genau das vor.
Von der Schiefertafel zum Tablet
„Schule und digitale Bildung“ heißt das Projekt zur Schul- und Unterrichtsentwicklung in der Bildungsregion Kreis Gütersloh. Sein Ziel ist, das Lernen mit digitalen Medien an Schulen zu fördern. Denn warum sollte in einer immer digitalisierteren Arbeits- und Lebenswelt der Unterricht im Analogen stehen bleiben? Das Projekt zielt auf eine ganze Region mit mehr als 100 Schulen ab, an denen das digitale Lernen und Lehren gefördert wird – und das ziemlich erfolgreich. Kooperationspartner sind die Bezirksregierung Detmold, der Kreis Gütersloh und das gemeinnützige Zentrum für digitale Bildung und Schule, kurz ZdB, das von der Bertelsmann Stiftung und der Reinhard Mohn Stiftung getragen wird. Seit fünf Jahren läuft das Projekt, weitere fünf Jahre sind geplant.
Schluss mit Frontalunterricht!
Das traditionelle Lernmodell, das auch heute noch an vielen Schulen Deutschlands angewendet wird, sieht so aus: Im Unterricht wird Wissen frontal durch die Lehrer:innen vermittelt, durch Hausaufgaben wird das Wissen vertieft und gefestigt, schlussendlich wird es in Tests abgefragt. Zeit zum Üben und Ausprobieren während des Unterrichts bleibt kaum. Auch hier setzt das Projekt „Schule und digitale Bildung“ an, denn es sieht Lehrer:innen nicht mehr als reine Wissensvermittler:innen, sondern vielmehr als Lernbegleiter:innen. Sie begleiten Schüler:innen auf ihren eigenen Wegen, wie sie sich Wissen im Unterricht aneignen. In der Praxis kann dies zum Beispiel durch das „Flipped Classroom“ geschehen, eine Methode, nach der die Unterrichtszeit viel intensiver zum Üben genutzt wird als beim Frontalunterricht.
„Die Agenda fürs 21. Jahrhundert sind die vier Ks – Kritisches Denken, Kommunikation, Kollaboration, Kreativität!“
– Christian Ebel, Projektleiter und Geschäftsführer des Projekts „Schule und digitale Bildung“
Digitalisierung bedeutet nicht, Arbeitsblätter einzuscannen
Doch nur durch das Übertragen der Lerninhalte vom Papier aufs Tablet ist noch keine digitale Schule gemacht. Klar spielt die Geräteausstattung und Technik eine große Rolle, aber es geht vor allem um das Wie des Wissenserwerbs. Hier sind in erster Linie die Lehrer:innen gefragt, alte Gewissheiten auf den Prüfstand zu stellen. Dabei werden sie vom Projekt „Schule und digitale Bildung“ unterstützt, zum Beispiel mit dem Fortbildungsangebot „UEdigital“, einem Format zur Unterrichtsentwicklung. Denn wenn die Lernkultur sich verändert, muss die Lehrkultur das auch.
„Schule und digitale Bildung“
… will alle 114 Schulen im Kreis Gütersloh dabei unterstützen, die Qualität des Unterrichts weiter zu verbessern und so Kindern und Jugendlichen besseren Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Die Teilnahme der Schulen ist freiwillig und kostenlos.
Mehr Infos zum Projekt gibt es auf der Website.
Gemeinsam den Unterricht neu denken
Durch den Netzwerkgedanken des Bildungsprojekts tauschen sich Lehrende viel mehr aus als früher, beispielsweise bei gegenseitigen Unterrichtsbesuchen und beim gemeinsamen Planen von Unterricht in professionellen Lerngemeinschaften. Davon profitieren am Ende auch die Schüler:innen, denn durch den Erfahrungsaustausch nehmen die Lehrenden oft ganz neue Perspektiven ein. Es geht also nicht nur um die Bereitschaft, Wissen zu vermitteln, sondern auch um die Bereitschaft, voneinander zu lernen.
Komplexer Alltag erfordert komplexe Aufgaben
Eine Erkenntnis, die in immer mehr Klassenzimmer einzieht: In einem komplexen Alltag sollten bereits Grundschulkinder komplexe Aufgaben angehen und nicht nur zu lösende Teilaspekte. Oder wie Projektleiter Christian Ebel es sagt: „Komplexere Lernsettings ermöglichen offenere Lernformen mit längeren Phasen selbstständigen Arbeitens und Lernens. Sie befähigen Kinder, digitale Medien zu nutzen, um eigenverantwortlich kreativ zu arbeiten.“ Etwas, das auch im späteren Leben wichtig ist.
Kreatives Lernen bereitet besser auf die Zukunft vor
Ob mit dem Buch oder dem Tablet, allein, in der Gruppe oder zu zweit – für die Schüler:innen ist zeitgemäße Wissensvermittlung ein großer Gewinn. Sie lernen in Zeiten von überall verfügbarem Wissen zu recherchieren, auszuwählen, zu bewerten und zu hinterfragen. So bereitet sie das eigenverantwortliche und kreative Lernen besser auf die Zukunft vor als ein streng getakteter 45-Minuten-Frontalunterricht, in dem sie 20 Matheaufgaben lösen sollen.
Es ist Zeit für die digitale Transformation der Schule. Die Bertelsmann Stiftung unterstützt das Projekt „Schule und digitale Bildung“ im Rahmen einer breiten Bildungsallianz. Mit dem Stiftungsprojekt „Schulische Bildung“ setzt sie sich außerdem für faire Bildungs- und Teilhabechancen für alle ein.