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change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

Gaming mit Behinderung: Fehlende Barrierefreiheit grenzt aus

Ein Foto von Melanie Eilert. Es zeigt sie beim Gaming mit einer Spielekonsole.
Interview
Anna Spindelndreier

Für mehr Inklusion im Gaming: Melanie Eilert erklärt, warum wir Behinderungen normalisieren müssen

  • Anna Spindelndreier
  • 28. Januar 2022

Virtuelle Städte bauen, sich als Avatar durch wilde Fantasiewelten kämpfen oder Ego-Shooter zocken: Gamen ist für viele Menschen ein beliebter Zeitvertreib. Doch das Hobby ist nicht für alle gleichermaßen zugänglich.

Wie steht es um die Inklusion von Menschen mit Behinderung im Gaming? Darüber hat change mit Gaming-Expertin Melanie Eilert gesprochen, die mit spinaler Muskelatrophie lebt und sich für eine inklusivere Gaming-Welt einsetzt.

Ein Foto von Melanie Eilert

Melanie Eilert …

… beschäftigt sich mit Inklusion, Games und Musicals. Sie lebt mit spinaler Muskelatrophie und cruist seit ihrem vierten Lebensjahr im elektrischen Rollstuhl durch die Welt. Auf ihrem Blog meilert.net und als @melly_maeh bei Twitter spricht sie über ihre Erfahrungen als behinderte Gamerin und über alle Themen rund um Inklusion.


change | Wegen fehlender Barrierefreiheit haben Sie jahrelang gar keine Games gespielt. Warum sind Sie wieder eingestiegen?

Melanie Eilert | Ich habe mich auch in der Zeit, in der ich keine Games gespielt habe, weiterhin für das Gaming interessiert und immer mal geschaut, was gerade geht und wie ich mich einrichten kann, um doch wieder spielen zu können. Aber ich habe lange keinen zufriedenstellenden Weg gefunden, mit dem ich wirklich Spaß an der Sache haben konnte, ohne dass es für mich in extreme körperliche Arbeit umgeschlagen wäre. Dann bin ich aber auf das Spiel „Uncharted 4“ gestoßen. Da waren viele Hilfsoptionen dabei, die das Spiel für mich möglich gemacht haben. So bin ich dann auch wieder mehr mit der PlayStation 4 in Kontakt gekommen. Es werden einige Dinge in der Konsolensoftware angeboten, die mich so unterstützen können, dass ich wieder aktiv spielen kann. Das war mein Wiedereinstieg.

Woran liegt es, dass Gaming für Menschen mit Behinderung zugänglicher geworden ist?

Einerseits gibt es ein größeres Bewusstsein für Barrierefreiheit als früher. Gleichzeitig steht die Individualisierung bei Games immer mehr im Vordergrund, auch das fördert Barrierefreiheit.

Eine blinde Frau bedient einen Computer mithilfe eines Screenreaders.

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Dass die Gaming-Welt barrierefreier wird, hat sicherlich auch mit dem Engagement von Initiativen wie „Gaming ohne Grenzen“ zu tun, an der Sie sich beteiligen.

Das Bewusstsein für Barrierefreiheit wächst und es gibt immer mehr Interesse am Thema, sowohl in den Studios als auch drum herum. Zum Beispiel bei Gaming-Awards, wo es inzwischen oft eine Accessibility-Kategorie gibt. Auch in den Medien, die über Games schreiben, wird Barrierefreiheit mittlerweile öfter thematisiert.

Ein Foto von Melanie Eilert

„Leider sind viele Spiele nur sehr spezifisch barrierefrei. Es gibt zum Beispiel Games, die sehr gut für motorische Behinderungen ausgestattet sind, aber nicht von blinden Menschen gespielt werden können.“

– Melanie Eilert, setzt sich für Inklusion im Gaming ein


Gibt es Spiele, die Sie bezüglich der Barrierefreiheit besonders empfehlen können?

Leider sind viele Spiele nur sehr spezifisch barrierefrei. Es gibt zum Beispiel Games, die sehr gut für motorische Behinderungen ausgestattet sind, aber nicht von blinden Menschen gespielt werden können. Oder Spiele, die für Blinde gut geeignet sind, aber nicht von Hörbehinderten gespielt werden können. Ein Spiel, das sehr umfangreich barrierefrei gelungen ist, ist „The Last of Us Part II“ vom letzten Jahr und das „Forza Horizon 5“ soll eine breite Barrierefreiheit haben, das habe ich allerdings selbst noch nicht gespielt.
 


Nun bedeutet Inklusion nicht nur Barrierefreiheit, sondern auch Repräsentation. Gibt es Spiele, in denen Figuren mit Behinderung eine Rolle spielen?

Da gibt es sehr wenige. Behinderung spielt in den Medien kaum eine Rolle, egal ob in Filmen, Serien oder Games. Wenn dann doch mal Charaktere mit einer Behinderung auftauchen, ist sie oft der Grund dafür, dass sie zu Bösewicht:innen des Spiels werden. Oder die Behinderung dient dem Zweck, dass um sie herum ein großes Drama erzählt wird. Dass eine Behinderung ganz normal einfach vorhanden ist, gibt es nicht.

Ein Foto von Melanie Eilert

„Behinderung spielt in den Medien kaum eine Rolle, egal ob in Filmen, Serien oder Games.“

– Melanie Eilert, setzt sich für Inklusion im Gaming ein


Virtual Reality wird ein immer größeres Ding, das zeigt sich beispielsweise auch in den Plänen für das Metaverse. Wie sieht es im Bereich VR mit Inklusion und Barrierefreiheit aus?

Für mich persönlich ist VR momentan nicht gut machbar, weil die Brillen einfach viel zu schwer sind und auch weil sehr viel Bewegungssteuerung benötigt wird, was ich auch nicht umsetzen kann. Virtual Reality ist auch in vielen anderen Behinderungsbereichen schwierig, zum Beispiel für blinde und sehbehinderte Menschen, die dann einfach nicht gut erkennen können, was um sie her passiert.

Ein Mann mit Brille und Kappe sitzt gegenüber von einer anderen Person an einem Tisch.

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Das Metaverse scheint als eine Art gigantisches Computerspiel geplant zu sein, dessen Dimensionen wir jetzt noch gar nicht absehen können. Was ist Ihre persönliche Meinung dazu, würden Sie das mitmachen?

Ich bin generell nicht so die Multiplayer-Spielerin. Auch bei den klassischen Spielen bin ich kein Fan davon, wenn man sich mit fünf bis zehn anderen Menschen zusammentut. Ich bin eher in den Spielen zu Hause, die man allein durchspielen kann. Wenn es beim Metaverse eher um ein gemeinsames Spiel geht, wäre das eher nichts für mich. Falls es aber als eine Art virtueller Treffpunkt gedacht ist, wo man auch ins Theater gehen kann, würde ich mir das auf jeden Fall mal ansehen.

Danke für das aufschlussreiche Gespräch!

Damit Inklusion nicht nur ein Buzzword bleibt, setzt sich die Bertelsmann Stiftung seit Jahren für inklusive Bildung ein. Für alle Kinder und Jugendlichen müssen faire Chancen und Bildungsgerechtigkeit gegeben sein, unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Förderbedarf oder anderen Faktoren.