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change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

Das sagen Schüler:innen zum deutschen Schulsystem

Drei Schüler:innen unterwegs in der Schule Drazen - stock.adobe.com

Schüler:innen packen aus: Das muss passieren, damit Schule noch besser wird

  • Drazen - stock.adobe.com
  • 22. September 2023

Das deutsche Schulsystem hat nicht den besten Ruf. Kritik wird dabei vor allem von Erwachsenen geübt: Lehrer:innen, Eltern oder Politiker:innen. Aber was sagen die Schüler:innen selbst zum Bildungssystem? change hat nachgefragt und einige Antworten bekommen, die überraschen!

Egal, ob du selbst noch die Schulbank drückst oder deine Schulzeit schon lange hinter dir liegt: Die Schule prägt die meisten von uns nachhaltig und stellt die Weichen für das spätere Leben. Hattest du eine tolle Klassengemeinschaft, eine:n Lieblingslehrer:in oder war vielleicht doch eher die Pause dein liebstes Schulfach? Dinge, die wir in unserer Schulzeit gelernt haben, begleiten uns meist ein Leben lang. Und damit ist nicht nur das Einmaleins gemeint, sondern auch der Umgang mit Gleichaltrigen und Erwachsenen, Freundschaften und wie gut wir uns in einer Gemeinschaft zurechtfinden können.

change fragt nach: Was sagst du zur Schule?

Umso wichtiger ist es, dass wir auch die Schüler:innen selbst zu Wort kommen lassen, wenn es um die Schule geht. Denn Schüler:innen sind alles andere als meinungs- und ideenlos, was das deutsche Schulsystem betrifft: So fordert beispielsweise die 15-jährige Nuria Neubauer , die bei Fridays for Future aktiv ist und ein Hamburger Gymnasium besucht, dass das Leben mit dem Klimawandel zukünftig ein Unterrichtsthema wird. Auch der elf Jahre alte hochbegabte Jonathan Bork macht sich Gedanken: Er will ein hybrides Schulsystem einführen, in dem die Schüler:innen die Wahl haben, ob sie von zu Hause oder in der Schule lernen wollen.
 


Positiv: Kreativität steht auf dem Lehrplan

Für diesen Artikel hat change Schüler:innen aus verschiedenen Bundesländern befragt – auch sie haben ihre eigene Meinung und neue Ideen zum deutschen Schulsystem: Susanne, 15 Jahre, geht auf ein Gymnasium in Sachsen. An ihrer Schule gefällt ihr besonders die gute technische Ausrüstung und dass Kreativität zum Lehrplan gehört: „Ich mag an meiner Schule, dass wir sehr viel mit Medien, IT und Technik arbeiten. Zum Beispiel nutzen wir iPads statt Lehrbücher. Wir haben auch viele kreative Aufgaben, drehen Videos oder nehmen Podcasts auf. Vor allem mag ich an der Schule aber, dass ich jeden Tag meine Freund:innen sehe und die Pausen.“
 

„Allgemein am Schulsystem würde ich ändern, dass man nach der 4. Klasse in Gymnasium und Oberschule eingeteilt wird. Warum sollten Zehnjährige dafür verantwortlich sein, wie ihr ganzer Bildungsweg abläuft? Mir wäre es lieber, wenn alle bis zur 10. Klasse in die gleiche Schule gehen, und dann entscheidet man sich, ob man Abitur machen möchte oder nicht.“

Susanne, 15 Jahre, Sachsen


Negativ: Trennung in verschiedene Schultypen zu früh

Wenn Susanne etwas ändern könnte, dann wäre es die frühe Einteilung in unterschiedliche Schulsysteme, die Einfluss auf das ganze restliche Leben der Schüler:innen hat: „Allgemein am Schulsystem würde ich ändern, dass man nach der 4. Klasse in Gymnasium und Oberschule eingeteilt wird. Warum sollten Zehnjährige dafür verantwortlich sein, wie ihr ganzer Bildungsweg abläuft? Mir wäre es lieber, wenn alle bis zur 10. Klasse in die gleiche Schule gehen, und dann entscheidet man sich, ob man Abitur machen möchte oder nicht.“
 

Zwei Schulkinder lernen mit einem Tablet in der Schule.

Raus aus der Kreidezeit: Wie Schule digital wird


Mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler:innen eingehen

Niklas, 16 Jahre alt, besucht ein Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Er wünscht sich vor allem, dass die teilweise veralteten Lehrmethoden modernisiert werden und die Lehrer:innen mehr Verständnis für die individuellen Bedürfnisse der Schüler:innen aufbringen. Hier setzt auch die Idee des hybriden Schulsystems von Jonathan Bork an: Wenn Schüler:innen frei entscheiden könnten, ob sie für ein bestimmtes Fach lieber zu Hause am PC lernen oder zum Unterricht in die Schule kommen, hätten auch die Lehrer:innen mehr Freiraum, um auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Schüler:innen einzugehen.

Schüler:innen heute: Sozial und politisch interessiert und engagiert

Auch der 15-jährigen Sarah aus Brandenburg gefallen die modernen Inhalte und sozialen Initiativen an ihrer Schule besonders gut: „Unsere Schule bietet bilingualen Unterricht an. Schüler:innen haben die Möglichkeit, den Geografie- und Geschichtsunterricht auf Englisch zu absolvieren. Außerdem ist unsere Schule Mitglied im Programm ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage‘, wo sich viele Schüler:innen engagieren. Außerdem führen wir jedes Jahr ein Sozialprojekt durch.“

Das zeigt auch: Jugendliche sind durchaus nicht so unpolitisch und desinteressiert, wie sie in den Medien häufig dargestellt werden. Auch Jan, der ein Gymnasium in Nordrhein-Westfalen besucht, findet an seiner Schule besonders positiv, dass sich so viele Schüler:innen einbringen, indem sie sich beispielsweise in der Schüler:innenvertretung engagieren.
 

„Ich finde es dumm, dass wir in Fächern wie Kunst, Musik oder Sport, die eigentlich Spaß machen sollten, auch Noten bekommen.“

Marie, 12 Jahre, Sachsen


Leistungsbewertung neu denken: Sind Schulnoten noch zeitgemäß?

Marie, 12 Jahre alt und Schülerin eines Gymnasiums in Sachsen, freut sich besonders auf ihr iPad, das sie in der 8. Klasse bekommen wird. Wenn sie es könnte, würde sie Schulbücher am liebsten ganz abschaffen. Was Marie nicht so gut gefällt? „Ich finde es dumm, dass wir in Fächern wie Kunst, Musik oder Sport, die eigentlich Spaß machen sollten, auch Noten bekommen.“ Das ist gar nicht so weit hergeholt, denn in einigen Bundesländern wird derzeit darüber nachgedacht, Noten für Fächer wie Kunst oder Sport abzuschaffen. Generell gibt es momentan eine Debatte darüber, wie sinnvoll Schulnoten überhaupt sind, vor allem im Hinblick auf die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI). Der Bayerische Lehrerverband weist darauf hin, dass Schüler:innen ihr Wissen durch das Internet und KI heute ganz anders erwerben als noch vor einigen Jahren, und fordert deshalb, statt Noten zukünftig schriftliche Leistungseinschätzungen zu vergeben.
 

Eine lächelnde, Schwarze junge Frau hält eine gelbe, aufgeschlagene Mappe in der Hand. Im Hintergrund sind Kinder im Grundschulalter an Schultischen zu erkennen.

Lehrer:innenmangel: Warum diese Lehrkräfte ihren Job trotzdem lieben


Lehrer:innen, die ihren Job mögen und Spaß daran haben

Die Schülerin Leonie aus Nordrhein-Westfalen wünscht sich vor allem kürzere Schultage, weniger Druck und mehr Freizeit. Außerdem nervt sie, dass man sich in ihrer Schule für bestimmte Fachzweige entscheiden muss und andere Inhalte dann weniger mitbekommt. Wenn Leonie etwas ändern könnte, würde sie am liebsten nur noch von Lehrer:innen unterrichtet werden, die ihren Job mögen und Spaß daran haben. Von unmotivierten Lehrer:innen, die zu viel verlangen und nicht wirklich auf die Schüler:innen eingehen, ist auch Susanne genervt: „Allgemein macht mir die Schule nicht wirklich Spaß. Ich finde es doof, wenn meine Lehrer:innen Sachen von uns Schüler:innen verlangen, die einfach zu viel sind, oder sich so verhalten, als wäre ihr Fach das einzige, um das wir uns kümmern sollten. Speziell an meiner Schule mag ich nicht, dass ein Lehrer häufig Dinge sagt, die nicht in den Unterricht gehören. Seine Kommentare haben oft sexistische oder rassistische Inhalte, jedoch sagen wir Schüler:innen nichts, weil er eine Autoritätsperson ist."
 

Tipp: Diskriminierungserfahrungen in der Schule?

Wenn du oder andere an deiner Schule Diskriminierung erfahren, beispielsweise durch Rassismus, Sexismus oder Homophobie, kannst du das jederzeit anonym bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes melden. Manche Städte, zum Beispiel Berlin oder München, haben auch eigene Meldestellen speziell für Diskriminierung an Schulen eingerichtet.

Junge Frau sitzt traurig auf einer Treppe


Out: Leistungsdruck, zu viel Stoff und strenge Benotung

Zusammenfassend kann man sagen, dass kreative und moderne Unterrichtsinhalte, die ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst auszudrücken und auszuprobieren, bei den Schüler:innen angesagt sind. Auch gute technische Ausstattung und Engagement für die Schulgemeinschaft oder soziale Projekte sind ihnen wichtig. Out sind Leistungsdruck, zu viel Stoff, strenge Benotung, unmotivierte Lehrer:innen und die frühe Trennung in verschiedene Schulsysteme – die sich, so scheint es, eher negativ auf die Motivation der Schüler:innen auswirken.
 

„Bei aller Kritik ist es auch wichtig zu erwähnen, dass wir uns mit unserem Bildungssystem im Vergleich zu anderen Ländern glücklich schätzen können. Dennoch gibt es auch hier genug Probleme, die jungen Menschen stark zusetzen und daher wichtig zu bearbeiten sind.“

Niklas, 16 Jahre, Nordrhein-Westfalen


Eine gute Nachricht zum Schluss: Der neunjährigen Hanne aus Sachsen scheint es in ihrer Grundschule noch ziemlich viel Spaß zu machen, sie mag besonders die Lehrer:innen: „Die Lehrer:innen sind nett und helfen uns immer viel, ich mag auch die Nachmittagsbetreuung, den Chor und die Schüler:innenaufsicht, also Schüler:innen, die den Lehrer:innen während der Hofpause bei der Aufsicht helfen gerne.“ Was Hanne nicht so gut gefällt, ist die Lautstärke ihrer Klasse und dass Kinder aus den höheren Klassen häufig jüngere Kinder ärgern. Und was sie ändern würde, wenn sie könnte? „Gar nichts, außer vielleicht, dass ich keine nervigen Jungs mehr in meiner Klasse habe.“

Auch die Bertelsmann Stiftung setzt sich für Verbesserungen im deutschen Schulsystem ein und will Schüler:innen eine Stimme geben. Zum Beispiel im Projekt „Schulische Bildung“ und dem dazugehörigen Blog „Schule21“, wo regelmäßig Expert:innen zu Bildungsthemen befragt werden.