Teilen:

change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

So schützt du dich vor falschen Gesundheitsinfos

Zu sehen ist eine Ärztin im weißen Kittel mit Stethoskop sitzt an einem Schreibtisch und schaut lächelnd auf ihr Smartphone. Im Hintergrund sind ein Laptop, Regale mit Pflanzen und eine Wanduhr zu sehen.
N E U
AntonioDiaz - stock.adobe.com

Gesund durchs Netz: Wie du Fake-Ärzt:innen auf TikTok entlarvst

  • AntonioDiaz - stock.adobe.com
  • 31. Oktober 2025

„Gesundheitstipps in 30 Sekunden“ – klingt erst mal praktisch, oder? Auf TikTok boomen Ärzt:innen-Videos, doch nicht alle stammen von echten Mediziner:innen. Wir zeigen dir, wie du Fake-Expert:innen erkennst und warum seriöse Gesundheitsinformationen wichtiger sind denn je.

Stundenlange Wartezeiten, volle Praxen und immer mehr Hausärzt:innen, die kürzertreten oder sogar ganz aufhören. Diese Situation beschreibt längst den Alltag in Deutschland. Diese Engpässe könnten sich sogar weiter verschärfen, und der ärztliche Nachwuchs allein kann die Lücke kaum schließen. Kein Wunder also, dass gerade junge Menschen nach Alternativen suchen, wenn sie eigentlich ärztlichen Rat bräuchten. Eine davon liegt nur einen Wisch entfernt: TikTok und Co. liefern Gesundheitsclips rund um die Uhr – und das in schnellen, bunten und leicht verständlichen Häppchen. Doch nicht alle, die dort im Kittel auftreten, sind echte Mediziner:innen. Genau deshalb schauen wir uns an, wie du Fake-Ärzt:innen erkennst und wo du wirklich verlässliche Infos findest.

Hausärzt:innen am Limit: Warum wir nach Infos im Netz suchen

Deutschland steuert auf eine medizinische Versorgungskrise zu: Bis 2035 könnte fast jede zweite Hausärzt:innenpraxis unbesetzt bleiben, weil viele Ärzt:innen in Rente gehen. Besonders im ländlichen Raum schließen Praxen, weil Nachfolger:innen fehlen. Gleichzeitig werden die Menschen immer älter. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder rechnen damit, dass bis 2035 rund ein Drittel der Menschen über 65 Jahre alt sein wird.

Mit dem Alter steigt auch die Zahl der chronischen Erkrankungen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts lebt bereits heute fast die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland mit mindestens einer chronischen Krankheit. Besonders häufig sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Rückenleiden. Diese Patient:innen brauchen langfristige Betreuung und damit noch mehr Zeit, die ohnehin knapp ist.

Die Folge dieser ärztlichen Versorgungssituation: Wer heute versucht, einen kurzfristigen Termin zu bekommen, hat so gut wie keine Chance. Das Netz scheint da wie ein Ausweg. TikTok, Instagram und YouTube sind rund um die Uhr verfügbar. Die Inhalte sind oft leicht verständlich, unterhaltsam und scheinen wie der ideale Ersatz für den schnellen ärztlichen Rat.
 

TikTok hat sich in wenigen Jahren vom Newcomer zur Social-Media-Macht entwickelt und erreicht weltweit 1,59 Milliarden Nutzer:innen monatlich.


TikTok als Gesundheitsquelle: Praktisch, aber riskant

Mit über 1,7 Milliarden Nutzer:innen weltweit ist TikTok längst mehr als eine Tanz-App. Laut Statista wächst die Plattform seit Jahren rasant. Unter Hashtags wie #healthtok oder #doctok sammeln sich Millionen Clips zu Ernährung, Fitness, Hautpflege, Wellness und eben auch zu medizinischen Themen und Prävention.

Das Erfolgsrezept: Kurze Videos, die komplexe Dinge einfach erklären. „So erkennst du einen Vitamin-D-Mangel“ oder „Das sind die drei besten Tipps gegen Migräne“ – fertig ist der virale Content. Viele Videos haben Hunderttausende Views, manche sogar Millionen.

Das Problem: Jede:r kann dort posten. Redaktionelle Prüfung? Gibt es nicht! Und niemand braucht eine entsprechende Qualifikation. Deshalb mischen sich neben echten Ärzt:innen auch Influencer:innen mit Halbwissen, Verkäufer:innen von Nahrungsergänzungsmitteln oder schlicht Menschen, die Klicks sammeln wollen.
 

Viele bunte Medikamente auf einem Haufen

Fake News in der Medizin: So erkennst du, ob Dr. Google die Wahrheit sagt


Daran erkennst du Fake-Ärzt:innen 

Bevor du einem Gesundheitsclip blind vertraust, lohnt sich ein kurzer Realitätscheck: Wer steckt hinter dem Account? Welche Belege gibt es für die Aussagen und stimmen sie mit dem überein, was Fachgesellschaften empfehlen? Mit ein paar einfachen Schritten kannst du viele Fakes sofort entlarven.

Fehlende Nachweise und Titel

Echte Mediziner:innen nennen oft ihre Qualifikation, ihren Arbeitsort oder ihre Approbationsnummer. Fehlen solche Hinweise oder nennen sie sich vage selbst „Health Coach“ oder „Wellness-Expert:in“, ist Skepsis angesagt.

Tipp: Suche die Person in offiziellen Ärzt:innenverzeichnissen oder direkt auf der Website einer Klinik.

Reißerische Aussagen

„Dieses Hausmittel heilt Krebs!“ oder „Wenn du das nicht machst, wirst du krank!“ – so oder ähnlich klingen viele Clips. Solche absoluten Heilsversprechen sind ein absolutes Alarmzeichen. Denn seriöse Ärzt:innen geben solche Versprechen nicht, sondern klären über Chancen und Risiken auf.

Tipp: Frage dich, ob das Gesagte realistisch klingt oder sich ein Faktencheck lohnt. Seiten wie CORRECTIV oder Mimikama entlarven regelmäßig falsche Gesundheitsbehauptungen.

Verkaufsmaschen

Hinter manchen TikTok-Accounts steckt Mehr Geschäft als Gesundheitsaufklärung. Wenn im Clip gleich ein „Wundermittel“ beworben wird, ist Vorsicht geboten. Seriöse Medizin setzt nicht auf Geheimrezepte aus einem Online-Shop.

Tipp: Finde heraus, ob es dem Account vor allem ums Verkaufen geht. Viele Affiliate-Links, Rabattcodes oder Dauerkäufe sind verdächtig.

Pseudowissenschaftliche Sprache

Klingt schlau, es ist aber nicht viel dahinter: Manche Fake-Ärzt:inen nutzen komplizierte Fachbegriffe, die keinen Sinn ergeben, oder berufen sich auf angeblich geheime Studien. Seriöse Aussagen verweisen dagegen auf offizielle und öffentlich zugängliche Studien, Leitlinien oder Fachgesellschaften. 

Tipp: Suche nach der genannten Studie. Lässt sie sich auf PubMed oder Google Scholar finden?

Kein Impressum oder keine verifizierbare Kontaktadresse

Vertrauenswürdige Profis geben eine Praxisadresse, Klinikzugehörigkeit oder eine offizielle E-Mail an. Fehlende Kontaktdaten sind ein klares Warnsignal.

Tipp: Fehlt ein Impressum? Dann nimm die Infos nicht als professionellen Rat an. Bei Accounts mit Sitz in Deutschland ist ein Impressum nämlich gesetzlich vorgeschrieben.

Widerspruch zu Leitlinien oder bekannten Empfehlungen

Wenn ein Tipp klar gegen offizielle Leitlinien (z. B. von RKI oder Fachgesellschaften) steht, geh unbedingt vorsichtig damit um. Positive Ausnahmen sind selten.

Tipp: Vergleiche schnell mit einer Leitlinie oder einer verlässlichen Gesundheitsseite. Große Abweichungen sind eher verdächtig.
 


Sechs Wege, dich vor Falschinfos zu schützen

Im Netz lassen sich Infos blitzschnell teilen. Leider auch solche, die schlicht falsch oder irreführend sind. Gerade bei Gesundheitsthemen solltest du deshalb besonders wachsam sein. Mit ein paar einfachen Strategien kannst du prüfen, ob ein Tipp wirklich vertrauenswürdig ist und ob du ihn bedenkenlos übernehmen kannst.

1. Quellen prüfen

Eine einfache Regel: Wenn du einen Tipp siehst, check die Quelle. Seriöse Infos findest du zum Beispiel beim Robert Koch-Institut (RKI), bei Krankenkassen, bei der Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen oder Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

2. Cross-Check mit seriösen Medien

Viele Gesundheitsportale oder öffentlich-rechtliche Medien greifen neue Trends auf und prüfen sie. Wenn du also etwas Spannendes auf TikTok siehst: Google es und vergleiche.

3. Faktencheck-Tools nutzen

Die bereits erwähnten Plattformen Mimikama oder CORRECTIV prüfen regelmäßig Gesundheitsmythen. Auch TikTok selbst blendet inzwischen Warnhinweise ein, wenn Videos zu bestimmten Schlagworten auftauchen.

4. Auf Siegel und Zertifikate achten

Manche Websites oder Apps sind von Institutionen geprüft, zum Beispiel mit dem HONcode-Siegel, das für transparente und geprüfte Gesundheitsinformationen steht. Ein fehlendes oder gefälschtes Siegel ist dagegen ein Warnzeichen.

5. Community kritisch beobachten

Kommentare können ebenfalls wichtige Hinweise geben: Findest du reichlich kritische Nachfragen oder Warnungen anderer Nutzer:innen, ist das ein Signal, den Inhalt nicht unreflektiert zu übernehmen oder zu glauben.

6. Einfach nachfragen

So banal es klingt: Nichts ersetzt das Gespräch mit Fachpersonal. Selbst wenn das länger dauert oder aufwendig ist. Bei ernsten Beschwerden solltest du dich auf keinen Fall auf TikTok-Clips verlassen.
 


Warum echte Ärzt:innen auf TikTok wichtig sind

Es gibt sie wirklich: Ärzt:innen, die TikTok professionell nutzen, um seriöse Infos zu teilen. Sie erklären OP-Verfahren, räumen mit Mythen auf oder geben Tipps zur Vorsorge. Beispiele sind Dr. Flojo und Dr. Ezzat oder die Initiative FIDES der Weltgesundheitsorganisation (WHO). FIDES ist ein Netzwerk von Health-Influencern, die sich dafür einsetzen, zuverlässige Gesundheitsinfos zu teilen und Fake News entgegenzuwirken.

Ihre Mission: Medizin verständlich machen und damit die Lücke schließen, die durch die überlasteten Hausärzt:innenpraxen entsteht. Gleichzeitig setzen sie ein Gegengewicht zu Fake-Docs. Aber auch sie betonen: TikTok ersetzt keine Untersuchung. Social Media kann erste Infos liefern, aber keine individuelle Diagnose.
 

Eine Gruppe junger Menschen schaut auf Handys

Gib Desinformation keine Chance mit diesen Tipps


Gesundheit auf Social Media: Zwischen Vertrauen und Verantwortung

Social Media wird ein fester Teil unseres Alltags bleiben. Auch in der Medizin. Das ist keine Bedrohung oder Gefahr, sondern kann eine echte Chance sein. 

Plattformen wie TikTok senken die Hemmschwelle, sich mit Gesundheitsthemen auseinanderzusetzen. Inhalte sind leicht zugänglich, kostenlos und sprechen eventuell Menschen an, die vielleicht nie eine Praxis betreten würden, um Fragen zu stellen. Tabuthemen wie psychische Gesundheit, Sexualität oder chronische Erkrankungen werden auf Social Media entstigmatisiert. Und: Viele Ärzt:innen nutzen ihre Reichweite, um fundiertes Wissen unterhaltsam und verständlich zu vermitteln – Wissen, das früher oft nur in Fachkreisen existierte.

Doch mit den Chancen wächst auch die Verantwortung:

  • Nutzer:innen sollten Inhalte kritisch prüfen und sich nicht auf einen einzelnen Clip verlassen.
  • Plattformen müssen Fake-Accounts konsequenter löschen und Algorithmen so gestalten, dass geprüfte Inhalte sichtbarer werden.
  • Politik und Fachgesellschaften sollten digitale Gesundheitskompetenz fördern, damit jede:r lernt, Informationen richtig einzuordnen.
     

Denn Gesundheit ist kein Entertainment. Falschinformationen sind nicht harmlos, sondern können im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein. Wir brauchen beides: Ärzt:innen vor Ort, die Zeit für ihre Patient:innen haben, und digitale Infos, auf die wir uns verlassen können. Bis dahin gilt: kritisch bleiben, Fake-Ärzt:innen meiden und echte Expertise schätzen.

93 Prozent der Menschen in Deutschland halten eine Qualitätssicherung bei gesundheitlichen und medizinischen Inhalten im Netz für wichtig. Im Rahmen der Initiative „InfoCure“ setzt sich die Bertelsmann Stiftung für verlässliche Quellen und das Vertrauen in digitale Gesundheitsinformationen ein. Mit dem Projekt „Trusted Health Ecosystems“ geht sie der Frage nach, wie eine soziale und faire Ausgestaltung der digitalen Gesundheitsversorgung von morgen aussehen kann.