Teilen:

change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

Nachhaltige Mode? Fast Fashion kostet mehr, als wir denken

Eine Frau stöbert in einem Second-Hand-Laden. mimagephotos - stock.adobe.com

Ciao, Fast Fashion! So geht nachhaltige Kleidung

  • mimagephotos - stock.adobe.com
  • 29. Oktober 2021

Klimakiller Klamotten? Die Modeindustrie verursacht weltweit mehr CO2-Emissionen als Flug- und Schiffsverkehr zusammen. Sie benötigt viel Wasser und ist für 20 Prozent der globalen Wasserverschmutzung verantwortlich. change erklärt, warum wir unsere Kaufgewohnheiten unbedingt ändern müssen und welche Möglichkeiten es gibt, sich nachhaltig und trotzdem modisch zu kleiden.

Was trägst du gerade so? Falls du etwas von großen Ladenketten oder Marken anhast, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass deine Kleidung in Billiglohnländern wie Bangladesch oder Thailand unter extrem schlechten Bedingungen und für sehr wenig Lohn genäht wurde. „Fast Fashion“ heißt dieses Geschäftsmodell. Doch Mode kann auch nachhaltig sein. Kreislaufwirtschaft, Ressourceneffizienz und nachhaltige Lieferketten spielen dabei eine wichtige Rolle. Doch bevor wir zu den Lösungsansätzen kommen, müssen wir erst einmal das Problem beleuchten.

Der Fabrikeinsturz von Rana Plaza

Spätestens seit dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza im Jahr 2013 weiß die ganze Welt über die Arbeitsbedingungen in den Billiglohnländern Bescheid. Als das marode achtstöckige Gebäude einstürzte, verloren 1.136 Menschen ihr Leben, über 2.000 wurden teils schwer verletzt. Viele europäische Modeketten ließen ihre Kleidung im Rana Plaza herstellen. Unter den Trümmern fand man Labels von C&A, Mango, KiK oder Benetton. Einige Kommentator:innen sahen diese Unternehmen in der Mitschuld für die Katastrophe.
 


Das Geschäftsmodell „Fast Fashion“

Mit dem Unfall im Rana Plaza offenbarten sich der Welt Umstände, die die sogenannte Fast-Fashion-Branche zuvor jahrzehntelang vor den Konsument:innen verbergen wollte. T-Shirts für 3,99 Euro oder Jeans für 12,99 Euro können nur dann so preiswert verkauft werden, wenn viele Extreme erfüllt werden: Wenn die Produktion der Kleidungsstücke extrem billig ist, extrem viel Kleidung in extrem kurzer Zeit hergestellt wird und natürlich am Ende der Kette in europäischen Geschäften extrem viel gekauft wird.

Jedes fünfte Kleidungsstück wird nie getragen

Ein paar Zahlen: Statt wie früher üblich vier an die Jahreszeiten angepasste Modekollektionen herauszubringen, bringen Modeketten heute bis zu 24 Kollektionen pro Jahr auf den Markt. Im Schnitt kaufen deutsche Verbraucher:innen im Jahr 60 neue Kleidungsstücke. Das entspricht zwischen 12 und 15 Kilogramm an neuer Kleidung pro Person jedes Jahr, wobei jedes fünfte gekaufte Kleidungsstück nie getragen wird.
 

Eine Person hält einen beleuchteten Globus in den Händen

Diese Ziele müssen wir erreichen, damit unser Planet lebenswert bleibt


Den eigentlichen Preis zahlen Näher:innen und Umwelt

Diese Überproduktion ist nicht so billig, wie es scheint. Den eigentlichen Preis für die Kleidung zahlen dabei nicht wir in den Geschäften, sondern die Näher:innen in den Fabriken, die kaum Lohn bekommen und unter gesundheitsschädlichen Umständen oft bis zu 80 Stunden pro Woche oder länger arbeiten müssen. Der Dokufilm „The True Cost“ zeigt eindrucksvoll, wie diese Modeindustrie funktioniert:
 


Auch unsere Umwelt leidet unter Fast Fashion

Die Natur nimmt durch die Textilbranche großen Schaden. Sie verursacht Schätzungen zufolge zehn Prozent der weltweiten C02-Emissionen und stößt damit mehr aus als die weltweite Luft- und Schifffahrt gemeinsam. Gleichzeitig werden durch Färbemittel und andere Bearbeitungsmaßnahmen bei der Herstellung Giftstoffe freigesetzt, die etwa 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung ausmachen.
 


Ein Drittel des Mikroplastiks im Meer geht aufs Konto der Mode

Doch die Wasserverschmutzung ist nach dem Kauf noch nicht zu Ende. Durch das Waschen von synthetischer Kleidung gelangen etwa 500.000 Tonnen Mikrofasern in die Meere – pro Jahr. Das entspricht der Masse von etwa 125 Jumbojets. Mit einer Waschladung Polyesterkleidung werden bis zu 700.000 Mikrokunststofffasern freigesetzt, die wiederum durch die Wasserleitungen in unsere Nahrungsketten gelangen.

Weniger als ein Prozent der gekauften Kleidung weltweit wird weiterverwertet

Leider nimmt die Verschmutzungsmisere durch Fast Fashion auch in der Waschmaschine noch kein Ende. So schnell die Trends von den Modehäusern gesetzt werden, so schnell verschwinden sie auch wieder. Wer mit dem Trend gehen will, muss nach ein paar Wochen oder Monaten wieder neue Teile kaufen und somit im Kleiderschrank Platz machen. Wir bringen unsere aussortierte Kleidung (durchschnittliche Europäer:innen werfen circa elf Kilogramm Kleidung im Jahr weg) oft in den Altkleidercontainer. Von dort aus wird ein Großteil entweder verbrannt oder endet auf Mülldeponien. Weniger als ein Prozent der Kleidung weltweit wird weiterverwertet.
 

Eine blaue Mülltonne, auf die das Recyclingsymbol gedruckt ist, drei ineinander übergehende Pfeile, die den Verwertungskreislauf widerspiegeln sollen

Was bringt Recycling wirklich?


Nachhaltige Kollektionen: Oft nur Greenwashing

Wie können wir diesem Kreislauf entkommen? Viele Modeketten geben sich nachhaltig, nachdem die Zustände, die in der Modeindustrie herrschen, ans Licht gekommen sind. Doch wo nachhaltig oder „conscious“ draufsteht, muss nicht unbedingt nachhaltig drin sein­. Oft handelt es sich nur um sogenanntes Green- oder Socialwashing. So befinden sich beispielsweise in vielen Kleidungsstücken aus der „Conscious Exclusive Kollektion“ von H&M weiterhin Plastikfasern. Selbst Teile, die größtenteils aus Bio-Baumwolle bestehen, sind nicht wirklich nachhaltig: Auch der Anbau von Bio-Baumwolle benötigt viele Ressourcen und das Label „Bio“ garantiert nicht, dass später in der Verarbeitungskette nicht auch umweltschädliche Chemikalien zum Einsatz kommen.
 


Nachhaltigkeit bedeutet wenig kaufen und am besten nur secondhand

Der sicherste Weg, sich nicht an dem für Menschen und Umwelt schädlichen Fast-Fashion-Kreislauf zu beteiligen, ist die Entscheidung, weniger Kleidung zu kaufen. Wenn man sich doch etwas Neues kauft, dann am besten von nachhaltigen Modelabels, die sich ressourcenschonender Produktion und fairer Entlohnung verschrieben haben. (Weitere Kriterien kannst du im „Leitfaden zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex“ nachlesen.) Diese sind allerdings oft deutlich teurer als die Kleidung herkömmlicher Modeketten. Schnäppchen für wenig Geld findet man auf Flohmärkten, in Secondhand-Läden oder auf Secondhand-Plattformen, wo man seine ausrangierten Teile auch gleich weiterverkaufen oder mit anderen Nutzer:innen tauschen kann. Sich modisch zu kleiden, ohne dabei Raubbau an Umwelt und Menschen zu betreiben, gelingt also mit wenigen Klicks auch für wenig Geld – und ist ähnlich einfach wie das Bestellen bei Fast-Fashion-Riesen.

Für eine gute Zukunft müssen wir natürliche Ressourcen schonen und nachhaltig wirtschaften. Das Projekt „Inclusive Productivity“ der Bertelsmann Stiftung erkundet Wege und Lösungsansätze, wie das Wohlstandsversprechen eingehalten werden kann, ohne dabei den Klimawandel, das Artensterben und das Gefälle zwischen Arm und Reich weiter zu verschärfen.