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change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

Darum ist CO2 viel mehr als ein toxisches Abgas

Eine Hand hält ein Blatt, in das ein Herz geschnitten ist, im Hintergrund der Himmel. Nicole Effinger – stock.adobe.com

Das missverstandene Molekül: Ist CO2 wirklich so schlecht wie sein Ruf?

  • Nicole Effinger – stock.adobe.com
  • 28. März 2023

CO2 ruft bei vielen von uns eher negative Assoziationen hervor, denn meist fällt es im Kontext von Debatten und Gesprächen über Luftverschmutzung oder den Klimawandel. Dabei ist Kohlenstoffdioxid grundsätzlich nichts Negatives, sondern ein natürliches Molekül, das nur dann Schaden anrichtet, wenn zu viel davon in die Atmosphäre gelangt. change zeigt dir die positiven Seiten des Treibhausgases und wofür es sich nutzen lässt.

Kohlenstoffdioxid, kurz CO2, ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff. Es ist ein natürlicher Bestandteil unserer Luft, den auch wir Menschen beim Atmen produzieren und der eine wichtige Rolle bei der Fotosynthese und damit beim Wachstum von Pflanzen spielt. Wird jedoch zu viel CO2 produziert und gleichzeitig zu wenig davon abgebaut, wirkt es sich als Treibhausgas (THG) stark auf das Klima aus: Der sogenannte Treibhausgaseffekt setzt ein, und es wird immer wärmer. Dadurch hat CO2 in den letzten Jahren einen ziemlich schlechten Ruf bekommen. Allerdings gibt es auch Lösungsansätze, der Atmosphäre CO2 zu entziehen und es beispielsweise über neue Technologien weiterzuverwerten.  
 


Wie schlecht ist CO2 wirklich?

Wenn CO2 erst einmal in die Atmosphäre gelangt ist, dann baut es sich – im Gegensatz zu anderen Stoffen – nicht selbst wieder ab. Wie so oft hat die Natur aber auch hierfür eine Lösung: den Kohlenstoffkreislauf. Dabei wird freigesetztes CO2 zum Beispiel von Gewässern oder Pflanzen gespeichert und wieder in Sauerstoff umgewandelt. Dieser Prozess hält den Anteil von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre theoretisch im Gleichgewicht – wenn es uns Menschen und die Industrialisierung nicht gäbe.
 

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Kohlenstoffdioxid und der Mensch

CO2 wird nicht nur durch natürliche Prozesse erzeugt: Durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl oder Erdgas in der Industrie oder beim Heizen wird seit dem Beginn der Industrialisierung weltweit immer mehr Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Allein seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich der globale Kohlendioxid-Anstieg dadurch fast vervierfacht. Für unser Klima bedeutet das vor allem eins: Durch den Anstieg der CO2-Teilchen in der Atmosphäre kann immer weniger Wärme, die von der Erde abgestrahlt wird, ins Weltall entweichen. Die Konsequenz ist, dass sich das Erdklima erwärmt. Allerdings gibt es auch gute Nachrichten, denn wir haben in den letzten Jahren einige Methoden entwickelt, mit denen aus dem Abgas CO2 ein wertvoller Rohstoff wird, der sich beispielsweise für technologische Innovationen nutzen lässt.
 


Carbon Farming: In den Boden mit dem Kohlenstoff

Die Landwirtschaft ist weltweit einer der größten Klimasünder. Vor allem durch die Tierhaltung und das Düngen von landwirtschaftlich genutzten Böden entstehen große Mengen THG-Emissionen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat deshalb das Ziel, in Deutschland bis zum Jahr 2030 25 Millionen Tonnen CO2 im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forst zu vermeiden.
 

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Quizfrage: Für wie viele Tonnen THG-Emissionen ist die Landwirtschaft in Deutschland pro Jahr verantwortlich?

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Eine wiederentdeckte Methode soll nun dabei helfen, die THG-Emissionen der Landwirtschaft zu verringern: das sogenannte Carbon Farming. Dabei werden auf einem Acker neben den eigentlichen Nutzpflanzen, wie zum Beispiel Getreide, auch andere Pflanzen, meist Hülsenfrüchte, in einem bestimmten jährlichen Rhythmus angebaut. Für ihr Wachstum nehmen sie Kohlenstoff aus der Luft auf und speichern ihn. Da sie – anders als die Nutzpflanzen – nicht geerntet werden, sterben sie nach einiger Zeit ab, verrotten und werden zu Humus, der dann zu etwa 60 Prozent aus Kohlenstoff besteht. Angelehnt ist die Methode an eine jahrhundertealte Kulturtechnik, den sogenannten „Fruchtwechsel“. Betreiben die Landwirt:innen diese regenerative Methode immer weiter, bleibt der Kohlenstoff lange im Boden, bevor er in die Atmosphäre gelangt. Landwirt:innen, die das Konzept nachhaltig durchführen, fügen ihren Böden mehr Kohlenstoff zu, als sie freilassen – Expert:innen nennen das „Negativ-Emissionen“.

Was genau ist CO2?

CO2 ist die chemische Summenformel für das Molekül Kohlenstoffdioxid oder kürzer „Kohlendioxid“. Es ist farblos, gut in Wasser löslich, nicht brennbar, geruchlos und ungiftig. In unserer Umwelt kommt CO2 am häufigsten in einem gasförmigen Zustand vor – und das vor allem in der Erdatmosphäre. Es ist ein natürliches Nebenprodukt des Stoffwechsels vieler Lebewesen und entsteht zudem bei der Verbrennung von Holz, Kohle, Öl und Gas. Auch durch Vulkane und beim Zerfall toter Organismen wird CO2 freigesetzt, da alle Lebewesen auf der Erde zum größten Teil aus Kohlenstoff bestehen.

Das Wort "CO2" in Wolkenform geschrieben


CO2 als Rohstoff: Aus Treibhausgas wird Kunststoff

Die Landwirtschaft ist nicht der einzige Bereich, in dem wir zukünftig viel Kohlenstoffdioxid einsparen müssen. Besonders schädlich für Natur und Klima ist der menschliche Kunststoffverbrauch. Denn nicht nur der Müll, der durch Plastikprodukte entsteht, ist schädlich für unsere Umwelt, auch die Herstellung und Entsorgung von Kunststoff verursachen viel CO2. Bei der Produktion eines Kilogramms Kunststoff entstehen rund zwei Kilogramm CO2, also auf jedes hergestellte Kilogramm Kunststoff kommt doppelt so viel freigesetztes Kohlenstoffdioxid.

Quizfrage: Wie viel Kohlenstoffdioxid wird in Deutschland jedes Jahr durch die Verbrennung von Kunststoff freigesetzt?

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Lösungsansätze, um die Belastung durch Kunststoff zu reduzieren, gibt es einige. Neben dem Recycling und dem Ersatz von Kunststoff durch andere Stoffe hat dabei vor allem eine Methode unser Aufsehen erregt: CO2 aus der Atmosphäre kann auch als Rohstoff für Plastikprodukte dienen, indem es eingefangen und wieder für die Produktion nutzbar gemacht wird. Zentrales Element ist hier der Kohlenstoff, der für die Kunststoffherstellung benötigt wird, jedoch bislang hauptsächlich aus fossilen Quellen – wie beispielsweise Erdöl – stammt. Durch verschiedene Verfahren können aus Kohlenstoffdioxid zum Beispiel Verpackungen, Kleidung oder sogar Matratzen hergestellt werden.

Rauch steigt aus einem Schornstein einer Ölraffinerie

Darum geht’s beim CO2-Preis


Autofahren mit Kohlenstoffdioxid? Das läuft!

Aber Kohlendioxid kann nicht nur zu Kunststoff werden. Bereits heute ist es möglich, durch innovative Verfahren auch Kraftstoffe aus CO2 herzustellen. Denn obwohl immer mehr Elektroautos zugelassen werden, muss der Schadstoffausstoß gerade im Verkehr noch weiter sinken, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Synthetische Kraftstoffe, die sogenannten E-Fuels, spielen für die Mobilität von morgen eine wichtige Rolle, da sie wie Benzin oder Diesel in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können. Wenn sie aus rein erneuerbarer Energie erzeugt werden, ermöglichen sie eine fast CO2-neutrale Fortbewegung – nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit dem Lastwagen, Schiff oder Flugzeug. Allerdings gibt es auch einiges, was gegen synthetische Kraftstoffe spricht: Für ihre Herstellung wird extrem viel Energie benötigt. Um zum Beispiel ein Fahrzeug mit E-Diesel anzutreiben, braucht man mehr als siebenmal so viel elektrische Energie wie für ein batteriebetriebenes elektrisches Auto. Das treibt den Preis der synthetischen Kraftstoffe stark in die Höhe und macht sie zumindest aktuell noch nicht wirtschaftlich rentabel.
 

Den Klimawandel durch Technologien aufhalten?

Wir halten fest: Die Menschheit arbeitet mit Hochdruck daran, ihren CO2-Ausstoß zu verringern, und hat in den letzten Jahren schon einige mehr oder weniger vielversprechende Verfahren entwickelt, um das zu erreichen. Allerdings werden technische Innovationen allein nicht ausreichen, um den Klimawandel einzudämmen. Deshalb ist es wichtig, dass auch politisch, wirtschaftlich und in unserem Alltag ein Umdenken stattfindet und der Zustand unseres Planeten mehr Berücksichtigung in unseren Entscheidungen findet.
 

Was braucht es, um die deutsche Marktwirtschaft nachhaltig zu machen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Bertelsmann Stiftung auf dem Blog Transforming Economies und bietet damit eine Plattform für wissenschaftliche Erkenntnisse und Lösungsansätze für drängende Probleme unserer Zeit.