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Klimawandel und Corona: Die Pandemie als Chance

Anzeigetafel: End Climate Injustice Jon Tyson - unsplash.com/license

Klimakrise: Warum wir jetzt schnell und radikal handeln müssen – und wie

  • Jon Tyson - unsplash.com/license
  • 2. November 2020

2020 läutet das Jahrzehnt ein, in dem wir Zeug:innen eines unumkehrbaren Klimawandels werden könnten – sollte die Menschheit nicht selbst ihr Verhalten umkehren. Ausgerechnet die Corona-Krise könnte ein Wendepunkt in der Klimapolitik sein.

Das Klimaziel der EU für 2030 steht fest: 60 Prozent weniger CO2-Emission soll in diesem Jahrzehnt in Europa erreicht werden, damit wir nicht in die größte Katastrophe der Menschheit schlittern. Das kann nur erreicht werden, wenn wir nachhaltiger wirtschaften als bisher. Wie kann das gelingen? Und kann Corona dabei sogar helfen?

Nature is healing?

Leere Straßen, stillgelegte Fabriken – Anfang des Jahres stand die Welt für einen Moment still. Das bot Anlass für eine Reihe von Memes mit der Botschaft „Nature is healing“. Ein Körnchen Wahrheit enthalten sie. Die Luftverschmutzung ging weltweit zurück, in einigen Städten Deutschlands waren während des ersten Lockdowns 30 bis 50 Prozent weniger Autos unterwegs. Der Flugverkehr brach im April und Mai um 98 Prozent ein. Weltweit wurde im ersten Halbjahr 2020 über eine Milliarde Tonnen weniger CO2 ausgestoßen.

Eine Person auf einer Demo hält einen Schild mit einem brennenden Globus hoch.

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Ein permanenter Lockdown ist keine Lösung

Nun kann aber die Welt nicht permanent im Lockdown leben. Die meisten Länder haben ihr altes CO2-Level auch schon wieder erreicht. Expert:innen befürchten, dass durch die wirtschaftliche Erholung der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen noch stärker steigen könnte, als es eh schon der Fall war. Es müssen langfristige Strategien gegen den Klimawandel her.

Es geht um die drastische Reduzierung von CO2

Kohlendioxid ist der Klimakiller Nummer eins. Warnungen, dass dieses Gas durch den Treibhauseffekt die Erde erwärmen, die Polkappen schmelzen und damit den Meeresspiegel anheben könnte, gibt es schon seit 1965. Seitdem pusten die Menschen immer mehr Mengen des Treibhausgases in die Atmosphäre – und sehr bald ist der Klimawandel unumkehrbar.
 


Wer sind die größten Klimasünder?

Bewegungen wie Fridays for Future haben im letzten Jahr die Klimakrise erfolgreich auf die politische Tagesordnung gebracht. Bei vielen Menschen hat sich dadurch ein Umdenken beim eigenen Verhalten eingestellt, was als „Greta-Effekt“ bekannt wurde. So wichtig es ist, dass mehr Menschen einen nachhaltigen Lebensstil wählen, umso wichtiger ist es aber, den eigenen Einfluss auf das Klima realistisch einzuschätzen und Klimapolitik dort zu machen, wo sie am wirksamsten ist. Denn die Top 3 der CO2-Verursacher sind nach wie vor die Energiewirtschaft, die Industrie und der Verkehr. Zusammen stoßen sie rund 82 Prozent des klimaschädlichen Gases aus.
 

Menschen bei einer Demo halten Schilder mit den Texten "Rethink" und "Gestaltung ist Haltung"

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Wir müssen endlich klimaneutrale Technologie nutzen

Wir alle brauchen Energie, müssen mobil sein und sind auf die Industrie angewiesen. Diese Branchen können also nicht einfach abgeschafft werden. Doch sie müssen nachhaltiger werden. Die Technologie dafür ist in vielen Bereichen schon da, es fehlt aber am Willen, sie flächendeckend einzusetzen. „Wenn wir zu lange an den alten Technologien festhalten, dann wird es problematisch“, warnt Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Er gibt zu bedenken: „Die Erfindungen sind ja schon gemacht. […] Wenn wir jetzt sagen: ‚Wir warten noch auf Innovationen‘, was soll das dann sein? Eine Maschine, in die ich einen Verbrennungsmotor stecke und das emissionsfreie Auto dabei herauskommt? Das wird ja nicht funktionieren. Sondern wir müssen jetzt die alten durch neue, innovative Technologien ersetzen, die bereits klimaneutral sind.“

Wasserstoff ist der Rockstar unter den erneuerbaren Energien

Bleibt die Frage: Wie können wir große Mengen erneuerbarer Energie dort bereitstellen, wo sie gebraucht werden? Für viele Anwendungsbereiche reichen unsere Batterien derzeit nicht aus. Hier kommt Wasserstoff ins Spiel. Er ist bestens für den Energietransport geeignet, egal ob auf dem Wasserweg oder zu Land. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel in der Stahlindustrie oder bei der Herstellung von Ammoniak. Wasserstoff wird so wichtig, dass die Bundesregierung im Juni 2020 eine „nationale Wasserstoffstrategie“ verabschiedet hat. Seit Juli gibt es sogar eine für die gesamte EU. Der Plan: Die Wasserstoffproduktion soll rasant steigen, während wir neue Produktionsanlagen bauen, die nachhaltigen Strom verwenden.

Die Corona-Pandemie als Startschuss für weniger Treibhausgas-Emissionen

Warum hören wir auf den Rat von Virolog:innen, wenn es um die Bekämpfung der Pandemie geht, nicht jedoch auf den Rat von führenden Forscher:innen, wenn es um den Klimawandel geht? Corona hat gezeigt, dass ein schnelles und radikales Handeln möglich ist, wenn der politische Wille dazu da ist. Es gibt Anzeichen, dass derzeit ein Umdenken stattfindet. Diverse Konjunkturpakete für klima- und ressourcenschonende Maßnahmen sind verabschiedet und in Planung. Sie sollen emissionsarme Technologien fördern und „grüne Jobs“ schaffen. Zusammen mit höheren Preisen für den Ausstoß von Treibhausgasen sind das zwei kraftvolle Hebel für eine nachhaltigere Wirtschaftspolitik. Denn eins ist sicher: Ein „Weiter so!“ darf es nicht geben.

Brave Green World? Welche Chance die Corona-Pandemie für nachhaltiges Wirtschaften bietet, erforscht das Projekt „Global Economic Dynamics“ der Bertelsmann Stiftung. Welche Rolle Innovationen dabei spielen, damit beschäftigen sich die Projekte „Innovationskraft stärken“ und „Produktivität für inklusives Wachstum“.