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Kita-Platz gesucht: So können Algorithmen helfen

Verschiedene Kinderspielsachen auf einem weißen Untergrund.

Mit Algorithmen gegen das Kita-Chaos

  • 8. Oktober 2021

Die Suche nach einem Kita-Platz bedeutet erst einmal eines: Stress. Über die Hälfte der Eltern von Kindern unter sechs Jahren hat Probleme beim Finden einer Betreuung in einer Kindertagesstätte. Auch die Kita-Leitungen sind unzufrieden, denn es kostet sie viel Zeit, die Anmeldungen zu verwalten. Können Algorithmen helfen?

Im Leben einer jeden Familie kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem sich die Frage stellt: Wer soll die Kids betreuen? Viele Eltern entscheiden sich für eine Kindertagesstätte. Doch die Suche dauert lang, es gibt zu wenige Kita-Plätze, die Kinder anzumelden ist oft mit Schwierigkeiten verbunden – gerade für sozial benachteiligte Eltern. Undurchsichtige Vergabekriterien führen zusätzlich zu Frust. Dabei könnte die Platzvergabe viel effizienter und gerechter sein.

Ist Schlange stehen bald Vergangenheit?

Kita-Plätze sind heiß begehrt. In vielen Städten bilden sich bei Vergabebeginn lange Schlangen vor den Anmeldestellen, wie zum Beispiel in Leipzig. Abgesehen davon, dass sich viele Eltern die Beine in den Bauch stehen, bedeutet das Kita-Chaos aber auch emotionalen Stress und Planungsunsicherheit. Bekommt mein Kind die Wunsch-Kita? Wie wird überhaupt entschieden, wer den Platz kriegt? Und was, wenn andere schneller waren als ich?

Bessere Kita-Platzvergabe durch Algorithmen

Diesen Stress könnte der Einsatz von Algorithmen verringern. In einigen Städten und Gemeinden wurde das bereits ausprobiert, mit einer kostenfreien Open-Source-Software namens KitaMatch. Sie wurde 2017 vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung entwickelt. Auf der Grundlage eines vorab definierten Kriterienkatalogs und der elterlichen Angabe zur Wunsch-Kita erleichtert die Software es den Kitas sich dazu abzustimmen, welche Kita welchen Eltern eine Platzzusage machen sollte. Im Kreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen wird KitaMatch seit einigen Jahren erfolgreich eingesetzt. Der Algorithmus ermöglicht, dass die Betreuungsplätze effizienter verteilt werden, Eltern viel Zeit bei der Suche sparen und, dass die Vergabe unter gewissen Umständen gerechter erfolgt als zuvor.
 

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Der Algorithmus verteilt fairer – wenn die Kriterien stimmen

So etwas wie „automatische Fairness“ gibt es jedoch nicht. Ein Algorithmus ist nur so fair, wie er programmiert wurde. Wenn die Kriterien stimmen, können algorithmische Entscheidungsfindungen also zu einer gerechteren Platzvergabe führen. Solche automatisierten Entscheidungen müssen aber überprüfbar und transparent sein, damit sie auf Akzeptanz stoßen. Die Kriterien für die Kitaplatzvergabe sollten deswegen nicht von einer Person oder Instanz im Stillen festgelegt werden, sondern gemeinsam mit Eltern, Kitas und deren Träger:innen sowie den Jugendämtern erarbeitet werden.

Knapp die Hälfte der Eltern findet den Algorithmeneinsatz gut

Wie aufgeschlossen sind Eltern in Deutschland für die computergestützte Kita-Platzvergabe? Für die absolute Mehrheit ist klar: Allein sollte der Algorithmus die Vergabe nicht steuern dürfen. In einer entsprechenden Umfrage waren nur fünf Prozent der Eltern dafür, dass die Software ohne menschliche Unterstützung eingesetzt wird. Wenn Mensch und Maschine jedoch gut zusammenspielen, halten 43 Prozent der Eltern die vom Algorithmus gestützte Vergabe für eine gute Idee.
 

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Algorithmen sind keine Allheilmittel für die „Betreuungslücke“

An einem kann auch die computergestützte Entscheidung nichts ändern: Es gibt zu wenig Kita-Plätze, 342.000 fehlten im Jahr 2020. Dieses menschengemachte Problem muss politisch gelöst werden. Die Gründe für den Mangel sind vielfältig: Der Kita-Ausbau geht schleppend voran und es gibt zu wenige Erzieher:innen. Gleichzeitig steigen die Kinderzahlen in der Bevölkerung, und Eltern wollen immer früher einen Platz für ihren Nachwuchs. Was so unemotional als „Betreuungslücke“ bezeichnet wird, ist für viele Familien eine emotionale Belastung. Algorithmen können helfen, den Mangel besser zu verwalten – neue Betreuungsplätze schaffen sie aber nicht. Dort muss die Politik ran.

Per Algorithmus zum Kita-Platz? In der gleichnamigen Studie der Bertelsmann Stiftung wirft Julia Gundlach vom Projekt „Ethik der Algorithmen“ einen Blick auf die Potenziale und Erfolgsfaktoren für eine bessere Kita-Platzvergabe.