
Wie kann ich wieder vertrauen?
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Pablo Hermoso - unsplash.com
- 1. August 2025
Eva Schulte-Austum ist Business-Coach und Wirtschaftspsychologin. Sie sagt, dass wir besonders in schwierigen Zeiten stabile Beziehungen brauchen, die uns Halt geben. Einander wirklich zu vertrauen ist jedoch manchmal gar nicht so leicht. Wie wir das lernen und selbst zu einer Vertrauensperson werden können, beschreibt sie in ihrem Essay auf change.
In unruhigen Zeiten sehnen wir uns nach Sicherheit, Orientierung und Vertrauen. Gerade dann wächst das Bedürfnis nach stabilen Beziehungen, denn die Resilienzforschung zeigt: Gute zwischenmenschliche Beziehungen sind der Schlüssel, um stürmische Zeiten zu überstehen. Und der Kern dieser Beziehungen? Vertrauen.
Vielleicht hast du dich schon einmal gefragt: Wann vertraue ich anderen? Und wann fällt es mir schwer? Für unsichere Menschen, die nicht wissen, wo ihr Vertrauen klug investiert ist, gibt es eine gute Nachricht: Die Forschung hat Merkmale identifiziert, die uns helfen, vertrauenswürdige Menschen zu erkennen.

Eva Schulte-Austum ...
... ist Business-Coach, Vortragsrednerin und „Vertrauensexpertin“. Die studierte Wirtschaftspsychologin berät Unternehmen zu den Themen Führung, Change und New Work. Sie hilft ihnen, eine Vertrauenskultur zu etablieren, in der Mitarbeitende motiviert sind, gerne arbeiten, freiwillig Verantwortung übernehmen und Veränderungen aktiv gestalten.
Eva Schulte-Austum online:
Wie Vertrauen wachsen kann
Unsere Entscheidung für oder gegen Vertrauen basiert meist unbewusst auf drei Fragen: Hat die Person die nötigen Fähigkeiten, um ein Problem zu lösen? Meint die Person es gut mit mir? Und die dritte Frage: Hält die Person ihre Versprechen? Können wir alle drei Fragen mit Ja beantworten, vertrauen wir.
Ist die Antwort „Vielleicht“ oder „Nein“, wird es schwieriger. Besonders Vertrauensbrüche bei der Integrität verzeihen wir seltener als solche, die auf fehlender Kompetenz beruhen. Fehler durch mangelnde Erfahrung können wir leichter entschuldigen als schlechte Absichten.
Vertrauen gewinnen: So geht’s
Beziehungen funktionieren immer in beide Richtungen. Es geht nicht nur darum, anderen zu vertrauen, sondern auch darum, Vertrauen zu gewinnen. Grundsätzlich gilt dabei: Wer vertraut, bekommt Vertrauen zurück. Dass du jemandem vertraust, kannst du zeigen, indem du einen Vertrauensvorschuss gewährst und zum Beispiel in Vorleistung gehst. Außerdem: Wenn du etwas tust, tue es glaubwürdig. Halte also Zusagen ein und nimm dir Bedenkzeit, wenn du dir einer Sache nicht sicher bist. Und mein persönlicher Lieblingstipp: Übertriff die Erwartungen. Wenn du mehr tust, als von dir erwartet wird, gewinnst du Vertrauen.
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„Wir können nicht kontrollieren, was passiert, aber wir können entscheiden, wie wir darauf reagieren.“
Eva Schulte-Austum
Misstrauen schützt uns nicht vor Enttäuschung
An dieser Stelle möchte ich mit einem Irrtum aufräumen: dem Mythos, dass Misstrauen vor schlechten Erfahrungen schützt. In Deutschland entwerfen wir oft Worst-Case-Szenarien aus Angst vor Enttäuschung oder Betrug. Doch die Forschung zeigt: Worauf wir uns konzentrieren, wird wahrscheinlicher – das ist der sogenannte Golem-Effekt. Erwarten wir Enttäuschung oder Verrat, ziehen wir diese Erlebnisse oft unbewusst an. Die gute Nachricht: Es gibt auch den Pygmalion-Effekt. Gehen wir davon aus, dass uns andere wertschätzend begegnen, steigen die Chancen auf positive Erfahrungen.

Ein Fitnessstudio für den Vertrauensmuskel
Um meinen Fokus auf das Positive zu lenken, habe ich ein Ritual: das Dankbarkeitsglas. Jeden Abend schreibe ich eine Sache, für die ich dankbar bin, auf einen Zettel und lege ihn ins Glas. Das können Kleinigkeiten sein, wie ein Cappuccino in der Sonne, oder größere Erlebnisse wie ein gutes Gespräch mit einer Freundin. Anfangs mag es ungewohnt sein, diese Dinge aufzuschreiben. Doch mit der Zeit schärft es den Blick für positive Momente – nicht nur abends, sondern auch im Alltag. Fakt ist: Wir können nicht kontrollieren, was passiert, aber wir können entscheiden, wie wir darauf reagieren. Stürmische Zeiten lassen sich leichter überstehen, wenn Herz und Hirn voller schöner Erinnerungen sind. Dann fällt es auch leichter, zu vertrauen – uns selbst, unseren Mitmenschen und dem Leben.
Zweimal im Jahr erscheint die PDF-Ausgabe des change Magazin der Bertelsmann Stiftung mit spannenden Essays, Reportagen, Analysen und mehr. Wirf einen Blick in die aktuelle Ausgabe und lass dich inspirieren!