Fünf Dinge, die wir über Afrika denken – dabei sind sie völlig falsch
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Anne Ackermann
- Februar 2018
Die Fotografin Anne Ackermann war jahrelang in Afrika unterwegs. Zehn Länder hat sie besucht und dabei vor allem eines gelernt: Das Bild, das Westeuropäer*innen von dem Kontinent haben, ist viel zu einseitig! Für change hat sie fünf Vorurteile enttarnt.
Anne Ackermann
… ist preisgekrönte Dokumentarfotografin. In ihrer Arbeit bildet sie gesellschaftliche Spannungsthemen ab, u. a. auf Reisen durch bislang zehn afrikanische Länder.
1. Afrika ist sowas wie ein großes Land.
Ackermann: Nein! Afrika ist ein Kontinent aus 54 Ländern – und das ist deutlich spürbar. Mit einer Bevölkerung von 1,2 Milliarden leben dort fast doppelt so viele Menschen wie in Europa, auf einer Fläche, die dreimal so groß ist. Dort sind die verschiedensten Ethnien, Kulturen, Sprachen (weit über 2000!) und somit Lebensweisen zu Hause.
Die Geschichte, Religionen und Mentalitäten, aber auch die Landschaften oder das Klima könnten unterschiedlicher kaum sein. Dennoch bin ich in meinen Jahren in Uganda von Freund*innen in Europa des Öfteren in Lebensgefahr vermutet worden – wegen dem Ausbruch der Ebola in Guinea, Liberia und Sierra Leone oder einem erneuten Aufleben der Kämpfe im Ostkongo – während ich in meiner friedfertigen Ecke von Kampala saß.
2. In Afrika hat keine*r kreative Ideen.
Ackermann: Ich bin schon viel gereist, aber nirgendwo habe ich so viel Kreativität, Unternehmergeist und aus der Not geborenes Ideenreichtum erlebt wie in Afrika.
„Ich habe selbst in den tiefsten Slums Genies und Meister*innen ihrer Kunst getroffen.“
Anne Ackermann, Fotografin
Im IT-Bereich, wo Uni-Absolvent*innen sich in Think Tanks und Hubs organisieren und innovative Apps entwickeln, zum Beispiel zum Entdecken von Malaria und Geschlechtskrankheiten. Sie alle haben ihre ganz eigene Vision, was ihren Kontinent weiterbringen wird.
Da ist das ‘Uganda Space Program’ oder die Filmemacher*innen aus Wakaliga, mittlerweile liebevoll ‘Wakaliwood’ genannt, die international erfolgreiche Actionfilme drehen und das mit Mitteln, die nur selten 150 US-Dollar überschreiten. Godfrey Namunye, ein vierfacher Vater und Automechaniker, der stinknormale Toyotas zu Fantasiegefährten umbaut und so seine Familie ernähren kann. Ich habe hier selbst in den tiefsten Slums Genies und Meister*innen ihrer Kunst getroffen.
Startups in Afrika
Schon gewusst? Fast ein Drittel der Finanzierungsgelder, die 2017 in afrikanische Startups flossen, kamen in der FinTech-Branche an. Dabei haben nur 17 Prozent der Bevölkerung bislang ein Bankkonto.
Insgesamt sind die Investitionen in afrikanische Startups im Vergleich zum Vorjahr um über 50 Prozent gestiegen – auf 195 Millionen US-Dollar.
Quelle: Quartz Africa
3. In Afrika sind alle arm.
Ackermann: Ja, es gibt Armut in Afrika. Aber – und das ist vielen nicht klar – es gibt auch großen Reichtum. Und das nicht nur, wenn man an die reichlich vorhandenen Bodenschätze denkt. Offiziell gibt es etwa 24 Milliardär*innen in Afrika. Vermutet werden bis zu 200, die ihr Vermögen nicht offenlegen.
„Es ist faszinierend und gleichzeitig schmerzt es: Die Schere zwischen Arm und Reich ist viel zu groß.”
Anne Ackermann
Es reicht auch schon ein Blick auf die Straßen der Metropolen, wo sich teure blitzblanke Geländewagen durch den dichten Verkehr an neuen Shopping Malls vorbei schieben. Viertel, in denen sich eine Villa an die nächste reiht und Angestellte die Arbeit erledigen. All das ist faszinierend und gleichzeitig schmerzt es, denn trotz wachsender Mittelschicht ist die Schere zwischen Arm und Reich viel zu groß.
4. Afrika ist doch so gefährlich!
Ackermann: „Ja, ist das denn überhaupt sicher?”, wurde ich oft gefragt. Innerlich musste ich immer schmunzeln, sehe das aber als Chance, endlich Vorurteile abzubauen.
„Ich habe meine Tür oft nicht abgeschlossen, so sicher habe ich mich dort gefühlt.“
Anne Ackermann
In Norduganda beispielsweise ist Stehlen kulturell absolut verpönt und wird durch die Gemeinschaft hart bestraft. Selbst in Großstädten wie beispielsweise im ruandischen Kigali bin ich nachts absolut sorgenfrei durch die Straßen spaziert und habe die Szenerie genossen. Auf dem Land habe ich meine Tür oft nicht abgeschlossen, so sicher habe ich mich dort gefühlt! Passiert ist mir dabei nie etwas.
5. Afrika ist heiß und trocken.
Ackermann: Es ist heiß, die Sonne brennt den ganzen Tag lang erbarmungslos auf die trockene Savanne. Es folgt die schwüle Nacht, bis das Ganze von vorn beginnt. Ja, so ist Afrika. Das habe ich auf Safari in Uganda gesehen.
„In Afrika gibt es alles – auch Schnee.“
Anne Ackermann
Ich habe aber auch bei strömenden Regen vor einem Kaminfeuer nahe des Bwindi Impenetrable Forest gesessen und mir von den wollpullitragenden Hotelangestellten einen heißen Ingwertee servieren lassen. Ich bin im Südsudan nach tagelangem Regen bis über die Reifen im Matsch stecken geblieben und mit einem Geländewagen am Turkanasee in Wüstensand begraben worden.
Auf die Gipfel des Kilimandscharo oder des Mount Rwenzori habe ich es konditionsbedingt leider nicht geschafft, doch eins ist sicher: In Afrika gibt es alles – auch Schnee.
Mehr von Anne Ackermann gibt es in ihrem Portfolio und auf Instagram!
Die Bertelsmann Stiftung erforscht seit Jahren, wie es um die Demokratie und Marktwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern steht. Das bewertet der Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI). Mitte März erscheint der BTI 2018 mit 44 afrikanischen Länderberichten sowie Regionalberichten zu West- und Zentralafrika, dem südlichen und östlichen Afrika sowie Nordafrika und dem Nahen Osten.