
Gleichberechtigung in der Arbeitswelt: Warum Benefits oft unfair verteilt sind und was sich ändern muss
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- 17. Oktober 2025
Immer mehr Unternehmen locken mit attraktiven Benefits. Aber es gibt einen Haken: Nicht alle Mitarbeiter:innen bekommen die gleichen Zusatzleistungen. Oft entscheidet der Beruf, die Position oder sogar das Geschlecht, wem was angeboten wird. Damit können Benefits ungewollt alte Rollenbilder verstärken. change zeigt, wo es im Arbeitsmarkt nicht unbedingt gerecht zugeht und wie echte Gleichberechtigung in der Arbeitswelt funktionieren könnte.
Betriebliche Zusatzleistungen sind heute Standard. Die Bandbreite reicht von Kantinenzuschüssen über Jobräder bis zu Mental-Health-Programmen. Unternehmen wollen sich gegenüber Arbeitnehmer:innen und im Vergleich zum Wettbewerb möglichst attraktiv präsentieren. Doch nicht alle Beschäftigten profitieren gleichermaßen. Während Männer häufiger finanzielle Boni oder einen Firmenwagen erhalten, werden Frauen eher familien- oder gesundheitsorientierte Extras angeboten. Damit verstärken Arbeitgeber:innen unbewusst stereotype Rollenmuster.
Zwei Seiten der Ungleichheit
Dass auch heute noch ein Gender Pay Gap existiert, ist kein Geheimnis. Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer, selbst bei vergleichbarer Qualifikation, Tätigkeit und Berufserfahrung. Ursachen dafür sind unter anderem die unterschiedliche Branchen- und Berufswahl, seltener besetzte Führungspositionen sowie Unterschiede in Arbeitszeit und Erwerbstätigkeit. Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit und nehmen seltener kontinuierlich am Erwerbsleben teil, was die Verdienstunterschiede zusätzlich verstärkt.
Gleichzeitig zeigt der Gender Care Gap, dass Frauen deutlich mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit wie Kinderbetreuung, Pflege oder Haushalt aufwenden als Männer, aktuell durchschnittlich 43,4 Prozent mehr. Diese Doppelbelastung wirkt sich direkt auf die Erwerbschancen, das Einkommen und die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen aus.
Auf den ersten Blick scheinen Ungleichheiten vor allem dort zu entstehen, wo Einkommen oder Arbeitszeit unterschiedlich verteilt sind. Doch auch hinter gut gemeinten Maßnahmen, etwa bei betrieblichen Benefits, können sich versteckte Benachteiligungen verbergen.
Wenn Benefits Rollenbilder verfestigen
Ein Firmenwagen oder ein finanzieller Bonus vermittelt „Dein Job zählt“. Ein Zuschuss für die Kita signalisiert eher „Dein Privatleben ist wichtig“. Diese Botschaften wirken vielleicht subtil, aber sie formen Erwartungen. Rund ein Drittel aller aktuellen Stellenanzeigen richtet sich an frauendominierte Berufe, gut ein weiteres Drittel an männerdominierte Berufe. Das wirkt sich direkt auf die Art der angebotenen Benefits aus: In Bereichen wie Pflege oder Erziehung überwiegen familienfreundliche und gesundheitsorientierte Leistungen. In IT- oder Ingenieur:innenberufen sind dagegen finanzielle Anreize wie Boni oder Dienstwagen typisch. Statt für Gleichberechtigung in der Arbeitswelt zu sorgen, festigen solche Benefits alte Rollenbilder.
Transparenz bei Gehältern: Fortschritte mit Lücken
Der Anteil der Stellenanzeigen mit Gehaltsangaben ist gestiegen: 2019 waren es noch etwa 20 Prozent, 2024 schon 36,7 Prozent. Das klingt erst mal nach Fortschritt. Aber: Zwei Drittel der Anzeigen bleiben weiterhin ohne klare Zahlen.
Gerade in sogenannten Engpassberufen, also Jobs, in denen dringend Fachkräfte gesucht werden, zum Beispiel in der Pflege, im Handwerk oder in der IT, fehlen Gehaltsangaben besonders oft. Das macht es Bewerber:innen schwer, Stellen miteinander zu vergleichen. Außerdem verstärkt es bestehende Ungleichheiten, da nicht alle die gleichen Verhandlungschancen haben.
Warum Gehaltstransparenz so wichtig ist:
- Mehr Fairness: Alle Bewerber:innen wissen sofort, woran sie sind.
- Gleiche Chancen: Wer weniger verhandlungssicher ist, wird nicht benachteiligt.
- Signalwirkung: Offene Zahlen zeigen, dass dem Unternehmen Gleichberechtigung wichtig ist.
- Schnellere Entscheidungen: Bewerber:innen bewerben sich eher, wenn sie alle Fakten kennen.
Benefits boomen, sind aber nicht gleichmäßig verteilt
Seit 2019 hat sich die Zahl der angebotenen Zusatzleistungen in Stellenanzeigen fast verdreifacht. Im Schnitt werden heute rund 9,5 Benefits pro Anzeige genannt, früher waren es nur etwa 3,6. Allerdings profitieren nicht alle Angestellten und Berufsgruppen gleich. Wer sich auf Expert:innenpositionen – etwa als IT-Spezialist:in oder Ingenieur:in – oder auf Leitungspositionen wie Teamleitung oder Management bewirbt, findet im Durchschnitt ganze elf verschiedene Benefits. Fachkräfte, also Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, bekommen rund zehn Benefits angeboten. Auch zwischen den Branchen gibt es große Unterschiede. In Bereichen wie IT oder Finanzwesen findet man oft bis zu zwölf Zusatzleistungen. In anderen Berufen, zum Beispiel in der Landwirtschaft oder in der Reinigung, stehen dagegen oft nur vier Extras in den Stellenanzeigen.
Das ist ziemlich widersprüchlich: Denn gerade dort, wo die Arbeit belastend ist oder dringend mehr Menschen gebraucht werden, fehlen entsprechende Anreize.
Benefit-Modelle für mehr Fairness im Job
In Berufen, die überwiegend von Männern ausgeübt werden, dominieren finanzielle Benefits wie Boni oder Dienstwagen. In Berufen mit hohem Frauenanteil stehen dagegen Fürsorgeangebote wie Kinderbetreuung oder Gesundheitsprogramme im Vordergrund. Dabei wünschen sich viele Männer ebenfalls mehr Zeit für Familie und Freizeit, während Frauen genauso Wert auf finanzielle Anerkennung legen. Das Ungleichgewicht macht deutlich, wie hartnäckig alte Rollenbilder immer noch wirken.
Mögliche Wege zu fairen Benefits:
- Flex-Benefit-Modell: Jede:r Beschäftigte erhält ein Budget und kann frei wählen, welche Leistungen für sie oder ihn gerade passen.
- Bedarfsanalysen: Unternehmen könnten regelmäßig anonyme Umfragen durchführen, um herauszufinden, welche Benefits ihre Mitarbeiter:innen wirklich wollen, statt Annahmen aufgrund von Geschlecht oder Branche zu treffen.
- Transparente Kriterien: Benefits könnten nach klaren, für alle nachvollziehbaren Regeln vergeben werden, etwa abhängig von Arbeitszeitmodellen oder Berufserfahrung und nicht stillschweigend nach Rollenklischees.
Mit solchen Modellen lässt sich verhindern, dass Zusatzleistungen alte Muster verstärken. Stattdessen können sie die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt voranbringen.
Zwischen Selbstverwirklichung und Sicherheit
Welche Zusatzleistungen sinnvoll sind, hängt stark von der Lebensphase ab, in der sich Mitarbeitende befinden.
- Junge Menschen wünschen sich Weiterbildung, flexible Arbeitszeiten und vor allem einen Job mit Sinn.
- Beschäftigte in der Mitte des Lebens achten stärker auf Einkommen, Planbarkeit und Vereinbarkeit mit der Familie.
- Ältere Mitarbeitende legen mehr Wert auf Sicherheit, Gesundheit und eine gute Altersvorsorge.
Zahlen zeigen: Mit zunehmendem Alter gewinnen Themen wie Gesundheit und Familie an Bedeutung. Deshalb ist es wenig sinnvoll, Benefits nach Geschlecht zuzuschneiden. Die Bedürfnisse verändern sich schließlich im Laufe des Lebens.
Unternehmen, die das berücksichtigen, können echte Loyalität aufbauen. Wer als junger Mensch flexible Arbeitszeitmodelle nutzt und später familienfreundliche Leistungen in Anspruch nimmt, bleibt wahrscheinlich deutlich länger bei einem Arbeitgeber. Solche flexiblen Angebote, die sich an Lebensphasen statt an Rollenbildern orientieren, schaffen mehr Zufriedenheit und Gleichberechtigung in der Arbeitswelt.
Mehr Pflicht als Luxus?
Der obligatorische Obstkorb, flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice tauchen in vielen Stellenanzeigen noch immer als „Benefit“ auf. Eigentlich sind sie aber längst Grundvoraussetzung. 2024 gehörte die Kategorie „Arbeitsorganisation“ – dazu zählen Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit oder Remote Work – zu den am häufigsten genannten Extras in Unternehmen.
Arbeitgeber:innen sollten hier unbedingt ehrlich sein: Wenn etwas so selbstverständliches wie Homeoffice als besonderer Bonus verkauft wird, wirkt es, als würde das Unternehmen von eigentlichen Schwächen ablenken wollen – zum Beispiel einer starren Präsenzkultur oder fehlenden Angeboten für Vereinbarkeit mit dem Familienleben.
Engpassberufe: Systemrelevant, aber unterversorgt
In Bereichen wie Pflege, Bildung oder Handwerk – also in Jobs, in denen dringend mehr Menschen gebraucht werden – werden im Durchschnitt weniger Zusatzleistungen angeboten als in anderen Berufen. Das ist problematisch, weil gerade hier Anreize wichtig wären: Zusätzliche Leistungen könnten diese Stellen attraktiver machen und zeigen, dass die Arbeit mehr Anerkennung verdient.
Die Folgen sind deutlich: Frauen arbeiten besonders häufig in Pflege und Bildung, Männer dagegen öfter in IT oder Industrie. Dort gibt es meist deutlich mehr Extras. Für viele Frauen heißt das: Sie arbeiten in Berufen, die nicht nur schlechter bezahlt sind, sondern auch weniger Zusatzleistungen bieten. Damit entsteht ein doppelter Nachteil – weniger Gehalt und weniger Wertschätzung.
Faire Benefits: Empfehlungen für echten Wandel
Damit Zusatzleistungen nicht alte Ungleichheiten verstärken, sondern tatsächlich für mehr Fairness sorgen, braucht es klare Leitlinien und die Motivation, Dinge neu zu denken. Unternehmen können dabei an mehreren Stellen ansetzen:
Transparenz schaffen: Gehälter und Benefits sollten klar und offen kommuniziert werden. So wissen alle Beschäftigten, woran sie sind, und es gibt weniger Raum für Benachteiligung.
Wahlfreiheit ermöglichen: Statt vorzugeben, wer welche Leistungen bekommt, sollten Mitarbeitende selbst wählen, welche Benefits zu ihrem Leben passen.
Regelmäßig überprüfen: Ein Monitoring hilft, Ungleichheiten sichtbar zu machen. So können Unternehmen schnell reagieren, wenn bestimmte Gruppen benachteiligt sind.
Bewusstsein fördern: Führungskräfte sollten lernen, eigene Vorurteile zu erkennen und Stereotype nicht weiterzugeben, zum Beispiel indem sie finanzielle Extras nur bestimmten Mitarbeitenden zusprechen.
Neues ausprobieren: Pilotprojekte ermöglichen es, innovative Modelle zu testen, Erfahrungen zu sammeln und gute Ansätze dauerhaft zu etablieren.
Jede:r Beschäftigte verdient faire Arbeitsbedingungen und echte Wahlfreiheit bei Benefits. Mit der Studie „Was Unternehmen heute versprechen“ zeigt die Bertelsmann Stiftung, wo Unternehmen nachbessern müssen und wie mehr Gleichberechtigung in der Arbeitswelt gelingen kann.