Gehörst du zur Mittelschicht? Find’s raus!
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- 25. Februar 2022
Sie ist extrem wichtig für eine solide Wirtschaft und gesellschaftlichen Wohlstand: die Mittelschicht. Doch sie ist kleiner geworden. Wie steht es um Aufstiegschancen und Abstiegsängste? change hat sich aktuelle Analysen angeschaut und ein Quiz für dich, mit dem du dein Wissen über die Mittelschicht testen kannst.
Eine ruhige Gegend, in der die Vögel zwitschern und Kinder auf der Straße spielen, ein Haus mit Garten, ein Golden Retriever und in der Garage ein schönes Elektroauto: So oder so ähnlich stellt man sich die klassische Lebenssituation von Menschen vor, die der Mittelschicht in Deutschland angehören. Doch wer kann sich das heute noch leisten?
Die Mittelschicht ist dünner geworden – und der Aufstieg schwerer
Den Traum von finanzieller Stabilität und Sicherheit können immer weniger Menschen leben, denn die deutsche Mittelschicht ist geschrumpft: Im Jahr 1995 gehörten noch 70 Prozent der Deutschen dazu, im Jahr 2018 waren es nur noch 64 Prozent. Und das, obwohl die deutsche Wirtschaft in dieser Zeit gewachsen und die Arbeitslosigkeit stark gesunken ist. Gleichzeitig ist es in den letzten Jahren auch noch deutlich schwerer geworden, in die Mittelschicht aufzusteigen. Das hat eine Analyse ergeben, die die Bertelsmann Stiftung zusammen mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt hat.
Besonders junge Menschen sind betroffen
Vor allem für junge Menschen ist es schwerer geworden, in die Mittelschicht aufzusteigen. Was für die Generation der Babyboomer noch ziemlich einfach war und oft mit nur einem Gehalt pro Familie gelang (71 Prozent von ihnen gelangten mit dem Berufseinstieg direkt in die Mittelschicht), ist für Millennials und Gen Z längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Besonders für diejenigen, die weder Abitur noch eine abgeschlossene Berufsausbildung haben.
Quiz: Gehörst du zur Mittelschicht?
Ohne Abi oder Ausbildung sieht’s schlecht aus
Von den jungen Erwachsenen, die weder Abi noch Ausbildung haben, schaffen aktuell nur 40 Prozent den Aufstieg in die Mittelschicht. Mit einem höheren Bildungsabschluss sieht es etwas besser aus: Mit einem abgeschlossenen Studium oder Meister liegen die Aufstiegschancen bei derzeit 61 Prozent. Auch das ist vergleichsweise wenig, 1995 lagen die Chancen noch bei 73 Prozent.
Wer gehört zur Mittelschicht?
Über wen reden wir eigentlich, wenn wir das Wort „Mittelschicht“ benutzen? Das ist eine Frage des Einkommens. Je nachdem unterscheidet man untere, mittlere und obere Mittelschicht. Die folgende Grafik zeigt, wer in Deutschland in welche Kategorie fällt (alle Angaben Netto):
Frauen könnten die Mittelschicht stärken
Um die Mittelschicht zu stärken, müssten vor allem Menschen in Minijobs oder Teilzeitarbeit mehr Chancen auf Weiterbildungen und Karrieremöglichkeiten geboten bekommen. Diese Gruppen, die mehrheitlich aus Frauen bestehen, bleiben in Unternehmen häufig auf einer Position sitzen. Sie werden gewissermaßen ignoriert, wodurch sich für sie die Aufstiegschancen in die Mittelschicht deutlich verringern. Nur ein Viertel der Beschäftigten in der Mittelschicht arbeitet in Teilzeit. Ein weiterer Grund dafür ist, dass die Zweitverdiener:innen in Teilzeitjobs den gleichen Steuersatz bezahlen wie ihre Ehepartner:innen – das legt das sogenannte Ehegattensplitting fest. Für viele lohnt sich das kaum, weshalb sie als Zweitverdiener:in lieber den Minijob wählen. Auf den zahlt man zwar keine Steuern, verdient aber auch nur 450 Euro pro Monat. Gerade in der Coronapandemie haben sich Minijobs für die Arbeitnehmenden darüber hinaus als sehr krisenanfällig erwiesen, weil sie im Fall von Arbeitslosigkeit kaum abgesichert sind. So oder so trägt der Mix aus falschen Steueranreizen und Minijobfalle dazu bei, dass Aufstiege in die Mittelschicht erschwert werden. Doch es gibt einen Plan, wie sich das ändern könnte.
Eine gemeinsame Reform von Ehegattensplitting und Minijob ist dringend nötig
Expert:innen der Bertelsmann Stiftung schlagen eine sogenannte Kombireform von Ehegattensplitting und Minijob vor. Wie genau die Reformpläne aussehen, ist recht komplex, hier gibt es detailliertere Informationen dazu. Vereinfacht gesagt soll eine andere Besteuerung für Zweitverdiener:innen gelten, die sie nicht so sehr benachteiligt wie jetzt. Gleichzeitig müssten die Minijobs abgeschafft und in sozialversicherungspflichtige Jobs umgewandelt werden. Die Abgaben würden aber gering ausfallen, wenn man wenig verdient. Erst mit steigendem Einkommen würde man mehr Abgaben bezahlen. Dahinter steckt eine komplizierte Berechnung von Forscher:innen des ifo Instituts.
Die Kombireform würde die Mittelschicht stärken
Für den Part, der in der Ehe weniger verdient, würde es sich dann mehr lohnen, arbeiten zu gehen. Der Aufstieg in die Mittelschicht oder der Verbleib wäre durch ein höheres Einkommen erleichtert. Gleichzeitig wäre der oder die Zweitverdiener:in finanziell weniger abhängig vom besserverdienenden Part, was besonders im Scheidungsfall eine Rolle spielt. Auch würden in Scheidung lebende Menschen in der Rente besser versorgt sein, weil mehr Geld in die Rentenkasse eingezahlt wurde. Mit einer Kombination aus beiden Reformmodellen gäbe es also auf lange Sicht auch weniger Altersarmut.
Mit dem Projekt „Beschäftigung im Wandel“ verfolgt die Bertelsmann Stiftung aktuelle Trends am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft und erforscht, wie die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verkleinert werden kann.