
Ist Deutschland bereit für das KI-Zeitalter?
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- 25. August 2025
Künstliche Intelligenz verändert, wie wir leben, arbeiten und wirtschaften. Und sie beeinflusst auch, wer in der Welt von morgen das Sagen hat. Deshalb investieren Unternehmen und Regierungen Milliarden in Forschung, Infrastruktur und KI-basierte Geschäftsmodelle. Doch wo steht Deutschland in Sachen KI? Und ist unser Land überhaupt bereit für dieses neue Zeitalter?
Spätestens seit ChatGPT im November 2022 die Bühne betrat, ist klar: Künstliche Intelligenz (KI) ist kein Zukunftsthema mehr, sie ist Gegenwart. Eine disruptive Kraft, die Wirtschaft, Bildung, Sicherheit und Gesellschaft tiefgreifend verändert.
Der weltweite KI-Markt wurde im Jahr 2025 auf über 130 Milliarden Euro geschätzt und wird bis 2030 voraussichtlich erheblich wachsen: auf ungefähr 1,9 Billionen Euro. Das bedeutet auch: Nur die Länder, die sich mit den Chancen und Grenzen der Technologie aktiv auseinandersetzen und in Forschung und Entwicklung investieren, bleiben zukunfts- und vor allem wettbewerbsfähig.
Deutschland im globalen KI-Wettlauf
Während Länder wie die USA oder China jährlich Milliarden in KI-Forschung und -Infrastruktur stecken, ist Deutschland eher im oberen Mittelfeld unterwegs. Laut dem Global AI Index, in dem die KI-Bemühungen verschiedener Länder miteinander verglichen werden, liegt die Bundesrepublik insgesamt auf Platz 7: solide, aber dennoch hinter den führenden Ländern.
Private Investitionen in KI: Allein die USA mobilisierten 2023 rund 62,5 Milliarden Euro an privaten Investitionen für KI. Ganz Europa erreichte zusammen nur rund 9 Milliarden Euro. Deutschland investierte 2023 1,8 Milliarden in künstliche Intelligenz.
Infrastruktur: Deutschlands Schwachstelle?
Vor allem in Sachen KI-Infrastruktur hat Deutschland Nachholbedarf: Im Global AI Index belegt die Bundesrepublik in diesem Bereich nur Platz 13. Dabei geht es vor allem um Rechenleistung und Datenverfügbarkeit. Aber auch hier versucht Europa gegenzusteuern: Über Programme wie Digital Europe und EuroHPC erhalten europäische KI-Projekte Zugang zu Hochleistungsrechnern und Cloud-Infrastruktur. Diese Investitionen sollen es ermöglichen, auch in Europa große KI-Modelle zu entwickeln und zu trainieren.
Zu wenig KI-Jobs in Deutschland?
Und bei der Nutzung? Auch da hinkt Deutschland im weltweiten Vergleich hinterher: Während global 78 Prozent der Unternehmen bereits KI nutzen, sind es hierzulande nur 20 Prozent. Viele Mittelständler:innen zögern – aus Unsicherheit, wegen fehlenden Know-hows oder schlicht aufgrund mangelnder Zeit. Jobs im Bereich KI werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch kaum ausgeschrieben.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Deutschland hat in Sachen KI auch Stärken, auf die es aufbauen kann. Man muss nur genauer hinsehen.
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„Nur 1,5 Prozent aller Stellenanzeigen in Deutschland haben aktuell einen Bezug zu KI – da ist noch viel Luft nach oben.“
Vanessa Weeke, Projektmanagerin im Projekt „Beschäftigung im Wandel“ bei der Bertelsmann Stiftung
Deutschlands (Hidden) KI-Champions
ChatGPT, Claude, Llama und Co.: Die bekanntesten KI-Modelle kommen aus den USA. Und mit Unternehmen wie OpenAI, Google DeepMind oder NVIDIA beheimatet Amerika gleich mehrere der einflussreichsten Akteure im KI-Feld.
In dieser Landschaft wirkt Deutschland auf den ersten Blick wie ein Zaungast. Die großen Schlagzeilen stammen selten von hier. Und dennoch wäre es ein Fehler, Deutschland vorschnell abzuschreiben, denn auch hierzulande gibt es starke KI-Unternehmen:
DeepL – Köln
Den KI-basierten DeepL Übersetzer und die Textoptimierungsfunktion DeepL Write kennst du wahrscheinlich bereits. Aber wusstest du, dass das Unternehmen dahinter aus Deutschland kommt?
Aleph Alpha – Heidelberg
Aleph Alpha erforscht und entwickelt KI-Sprachmodelle, ähnlich wie etwa ChatGPT. Das Ziel: leistungsfähige KI-Anwendungen, die in Europa entwickelt und betrieben werden, mit Fokus auf digitale Souveränität und Datenschutz.
Helsing – München
Helsing nutzt KI für die Entwicklung sicherheitspolitischer Anwendungen. Das sind zum Beispiel Systeme zur Analyse von Sensordaten und zur Entscheidungsunterstützung, etwa im militärischen oder sicherheitsrelevanten Bereich.
Black Forest Labs – Freiburg
Das junge Start-up Black Forest Labs entwickelt generative Bild- und Video-KIs, also Programme, die auf Basis von Textvorgaben Bilder und Videos erzeugen können. Ihr Modell FLUX war eine der ersten Bild-KIs, die Texte zuverlässig in Bildern generieren konnte, vor OpenAI und Midjourney. Sie zählt zu den besten der Welt.
Forschung und Talente: Deutschlands Steckenpferde
In der KI-Forschung zählt Deutschland zur Weltspitze. Universitäten, Institute und Kompetenzzentren leisten wichtige Grundlagenarbeit, von maschinellem Lernen bis hin zu ethischen Fragen. Besonders bei der Ausbildung von IT-Fachkräften ist Deutschland gut aufgestellt: Laut Global AI Index liegt es hier weltweit auf Platz 3. Doch zwischen Forschung und praktischer Anwendung klafft aktuell noch eine Lücke. Deutschland hat noch Probleme damit, ins „Tun“ zu kommen und die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis zu bringen.
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„Gerade was den Forschungsbereich angeht, haben wir in Deutschland eine riesige Exzellenz. Da sind wir Taktgeber und weltweit kaum zu schlagen. Das ist unser großes Potenzial. Jetzt müssen wir es nur stärker in die Umsetzung bringen.“
Vanessa Weeke, Projektmanagerin im Projekt „Beschäftigung im Wandel“ bei der Bertelsmann Stiftung
KI-Regulierung: Risiko oder Standortvorteil?
Ein Aspekt, der Deutschland und Europa von den USA und China unterscheidet, ist der Umgang mit der KI-Regulierung. Mit dem EU Artificial Intelligence Act hat Europa 2024 als erste Region der Welt ein umfassendes Gesetzespaket zur Regulierung von KI verabschiedet. Es kategorisiert Anwendungen nach Risikostufen, verpflichtet Unternehmen zu Transparenz und Datenschutz und verbietet bestimmte Anwendungsbereiche komplett.
Das klingt erst mal nach viel Bürokratie, die in den Medien oft als „Innovationsbremse“ beschrieben wird. Gleichzeitig könnten die Regulierungen aber ein Vorteil sein. Gerade im internationalen Wettbewerb könnten klare, ethisch saubere Standards zum Qualitätsvorteil werden. Denn Vertrauen ist in der digitalen Welt eine harte Währung.
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„Ich bin überzeugt, dass der verantwortungsvolle Einsatz von KI ohne Regulierung nicht funktionieren kann. Gerade weil KI Entscheidungen beeinflusst, die persönliche Schicksale betreffen, brauchen wir rechtssichere Prozesse und den Schutz von Persönlichkeitsrechten.“
Vanessa Weeke, Projektmanagerin im Projekt „Beschäftigung im Wandel“ bei der Bertelsmann Stiftung
Nachhaltigkeit trifft KI: Deutschlands stille Stärke
Ein Bereich, in dem Deutschland anderen Ländern sogar voraus ist, ist die Verbindung von KI und Nachhaltigkeit. Beispielsweise der Green-AI Hub Mittelstand fördert Projekte, die KI umweltfreundlicher machen oder sie für nachhaltige Zwecke einsetzen. In einer Welt, in der viele KI-Modelle mit enormem Energieverbrauch arbeiten und sich kaum rentieren, ist das ein zukunftsweisender Ansatz.
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„Wir sind in Deutschland im Bereich Nachhaltigkeit sehr gut unterwegs. Wenn wir das mit KI verbinden, können wir eine Vorreiterrolle einnehmen. Green AI ist ein Bereich mit großem Potenzial.“
Vanessa Weeke, Projektmanagerin im Projekt „Beschäftigung im Wandel“ bei der Bertelsmann Stiftung
Bildung und Gesellschaft: KI-Kompetenz als Standortfaktor
Technologie allein reicht aber nicht. Um als Land im KI-Zeitalter zu bestehen, braucht es auch eine informierte Gesellschaft. Auch hier stehen wir in Deutschland schon ganz gut da.
Im EU AI Act werden Unternehmen beispielsweise dazu verpflichtet, Mitarbeitende, die KI nutzen, zu schulen. Zwar ist das Gesetz noch neu und auch die Rahmenbedingungen sind noch nicht klar, aber das ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.
Gleichzeitig investiert die Bundesregierung in Bildungsangebote zum Thema KI und möchte diese Förderung noch weiter ausbauen. Dazu wurden bereits Plattformen und Formate geschaffen, um Wissen über KI zu verbreiten und Akzeptanz zu fördern. Der KI-Campus und die Plattform Lernende Systeme sind gute Beispiele dafür. Sie bieten kostenlose Onlinekurse, Infomaterialien, Videos, Podcasts und Tools für jedefrau und jedermann.
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„KI gehört ins Bildungssystem – und zwar von der Schule bis zur Hochschule. Aber es geht noch weiter: Wir müssen die breite Bevölkerung sensibilisieren, kritisch zu bleiben, aber auch Chancen zu erkennen.“
Vanessa Weeke, Projektmanagerin im Projekt „Beschäftigung im Wandel“ bei der Bertelsmann Stiftung
Deutschlands KI-Strategie: Eine der fortschrittlichsten der Welt
Wusstest du, dass Deutschland bereits am 15. November 2018 eine umfangreiche KI-Strategie verabschiedet hat? Das war lange bevor wir alle ChatGPT auf unserem Handy hatten. Mit ihr will die Bundesregierung Deutschland und Europa zu einem führenden Standort für KI machen, Wettbewerbsfähigkeit sichern und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von KI in allen Bereichen der Gesellschaft fördern.
Ganz wichtig: Der Nutzen für Mensch und Umwelt wird dabei in den Mittelpunkt gestellt. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehört Deutschlands KI-Strategie damit zu den fortschrittlichsten der Welt.
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„KI-Readiness bedeutet nicht nur, ein paar Vorzeige-Start-ups zu haben. Es geht auch um Bildung, Akzeptanz in der Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Das sind viele Komponenten, die zusammenspielen müssen.“
Vanessa Weeke, Projektmanagerin im Projekt „Beschäftigung im Wandel“ bei der Bertelsmann Stiftung
Fazit: Bereit, wenn wir mutig bleiben
Unterm Strich: Deutschland ist auf dem Weg ins KI-Zeitalter. Nicht im Sprint, sondern in einem Marathon mit Weitblick. Die Grundlagen sind vorhanden: kluge Köpfe, starke Forschung und verantwortungsvolle Ansätze. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Deutschland auch zum aktiven Gestalter des KI-Zeitalters wird. Wenn wir technologische Stärke mit gesellschaftlicher Verantwortung, nachhaltigem Denken und mutigem Handeln kombinieren, kann Deutschland nicht nur mithalten, sondern den Takt mitbestimmen. In Europa und vielleicht sogar darüber hinaus.
Neugierig geworden? Die Bertelsmann Stiftung beschäftigt sich intensiv mit dem Thema KI und den Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Das Projekt „Beschäftigung im Wandel“ hat zum Beispiel im Rahmen des Jobmonitors KI-Jobs auf dem deutschen Arbeitsmarkt untersucht. Schau rein!