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Aart De Geus schaut lächelt in die Kamera.
Interview
Kai Uwe Oesterhelweg

"Wir müssen unsere Demokratie neu denken und gestalten"

  • Kai Uwe Oesterhelweg
  • Februar 2017

Wie kann man junge Leute für Demokratie begeistern? Was können wir tun, damit auch Flüchtlinge Teil der Gesellschaft werden? Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen an der zunehmend komplexen Gesellschaft teilhaben können – politisch, wirtschaftlich und kulturell. Wir fragten unseren Vorstandsvorsitzenden Aart De Geus, wie das gelingen kann.

change Die Bertelsmann Stiftung möchte die Menschen stärker an der Gesellschaft beteiligen. Was macht die Stiftung da konkret?

Aart De Geus | Zum Beispiel schlagen wir vor, junge Menschen ab 16 wählen zu lassen. Wenn in der Schule über Demokratie und Politik gesprochen wird, dann wird da politisches Interesse geweckt. Daher ist es wichtig, den Gedanken der demokratischen Teilnahme so früh wie möglich zu verankern. Darüber hinaus schlagen wir die Möglichkeit zum Wählen per Internet sowie neue Formen von Bürgerbeteiligung vor. Das Funktionieren von Demokratie und die Teilhabe von Menschen an der Demokratie müssen wir anders denken, sonst wächst da kein Vertrauen. Wir müssen unsere Demokratie neu denken und gestalten, oder wir verlieren sie.

Deutschland und Europa stehen vor der Aufgabe, zusätzlich zahlreiche Flüchtlinge in ihre Demokratien zu integrieren. Wie geht die Stiftung diese Herausforderung an?

In unseren insgesamt mehr als 60 laufenden Projekten denken wir die Integration von Flüchtlingen in fast der Hälfte der Projekte immer mit. Dann gibt es acht Projekte, die sich sehr konkret für die Verbesserung der Situation von Flüchtlingen engagieren. Ich nenne zwei Beispiele: Es gibt ein Projekt zur Erkennung von Kompetenzen von Flüchtlingen in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit. Damit können Beratungsstellen, Jobcenter und Arbeitgeber feststellen, ob jemand bestimmte informelle Qualifikationen hat, um zum Beispiel in einem Krankenhaus zu arbeiten oder im technischen Bereich tätig zu sein. Das zweite ist "Singen mit Flüchtlingskindern“ im Projekt "Musikalische Bildung". Musik ist eine Sprache, die jeder versteht. Wenn Kinder miteinander in einer Schulklasse singen und Freude an Musik erleben, dann ist das eine emotionale Komponente von Integration, die von sehr großem Wert ist.

Auch Sie haben Kinder und sogar Enkelkinder. Wenn Sie einen Blick in deren Zukunft wagen, was glauben Sie, wie wird deren Leben sich verändern?

Die Zukunft unserer Kinder sehe ich sehr positiv. Sie haben eine Ausbildung, die Arbeit ermöglicht und gute Lebensperspektiven schafft. Für unsere Enkelkinder ist das schon etwas anderes, weil wir nicht genau wissen, wie sich zum Beispiel die Digitalisierung auf die Arbeitschancen in einigen Dekaden auswirken wird. Für die nächsten Generationen stellen sich große Fragen: Wie geht es weiter mit dem Klimawandel, mit Sicherheitsfragen, mit Integration und kultureller Vielfalt? Unsere Enkelkinder gehen in Schulen, wo die Vielfalt immer größer wird, und sie wachsen in einer Zeit auf, in der es womöglich genauso viele Personen über 60 wie unter 60 Jahren gibt. Tröstlich dabei ist es zu wissen, dass alle bisherigen Veränderungen der Gesellschaft stets immer mehr Wohlstand, immer längere Zeiten von Frieden, immer bessere Gesundheit, immer bessere Bildung gebracht haben. Der menschliche Geist wird immer nach Verbesserung streben. Das wird auch mit der Generation meiner Enkelkinder so sein.