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change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

Kann Wirtschaft nachhaltig sein? change hakt nach

Im Vordergrund eine Frau mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm, im Hintergrund ein Feld mit Windmühlen. Kampan - stock.adobe.com

Kann Wirtschaft nachhaltig sein?

  • Kampan - stock.adobe.com
  • 29. September 2023

Die Wirtschaft muss wachsen, damit wir in Wohlstand leben können. Oder? change nimmt dich mit auf eine kleine Reise in die Welt der Wirtschaft und geht der Frage nach, ob Natur und Ökonomie im Einklang stehen können. Los geht’s!

Stell dir vor, du schläfst wenig, ernährst dich schlecht und hast ständig Stress. Trotzdem sollst du alle deine Aufgaben erfüllen und gute Miene zum bösen Spiel machen. Eine Weile kannst du das vielleicht durchhalten, aber sicher nicht lange. Irgendwann würdest auch du einfach nicht mehr können. So in etwa geht es unserem Planeten gerade. Das hat mit unserem Verständnis von Wirtschaft und Wachstum zu tun.

Was bedeutet Wirtschaftswachstum eigentlich?

Wenn wir von Wirtschaftswachstum sprechen, meinen wir in der Regel, dass der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Land produziert werden, von einem Jahr zum anderen zunimmt. Lange Zeit galt das als Ideal. Wenn du in die Vergangenheit schaust, wird dir auch schnell klar, warum das so ist: Wuchs die Wirtschaft, ging es den Menschen besser. Mehr Geld, mehr Möglichkeiten! Wirtschaftswachstum und Wohlstand sind sozusagen beste Freunde – die beiden gehören einfach zusammen. Aber ist das zukunftsfähig?

Die Wirtschaft muss sich dem Ökosystem Erde anpassen – nicht umgekehrt

Wachstum ist die Grundlage für unser derzeitiges Wirtschaftssystem. Diese Art zu wirtschaften geht aber auf lange Sicht nicht gut: Denn dazu bräuchte es unendliche Ressourcen, aus denen dieses Wachstum erzeugt werden könnte. Solche Ressourcen gibt es aber nicht. Das heißt, wir müssen unser Wirtschaftssystem so umgestalten, dass wir die Erde nicht länger zerstören und Ressourcen nicht mehr so nutzen, als wären sie unendlich. Stattdessen sollte unsere Wirtschaft den Bedürfnissen der Natur angepasst werden, und wir sollten versuchen, mehr im Einklang mit dem Ökosystem Erde zu leben. Klingt gar nicht so unlogisch, oder?
 


Kann Wachstum nicht einfach klimafreundlich sein?

Die Frage nach nachhaltigem Wachstum beschäftigt Forscher:innen weltweit. Und die Antworten darauf gehen teilweise weit auseinander. Es gibt einerseits diejenigen, die an „Green Growth“ glauben. Das bedeutet, dass die Wirtschaft weiter wächst, aber auf umweltfreundliche Weise, zum Beispiel durch bessere Technologien, die weniger Schadstoffe erzeugen.

„Green Growth“ und „Degrowth“: Zwei Pole einer Diskussion

Die Befürworter:innen dieses „grünen Wachstums“ denken, dass wir weiterhin mehr Wohlstand schaffen können, ohne die Umwelt zu sehr zu belasten. Auf der anderen Seite stehen die Vertreter:innen von „Degrowth“. Hier geht es darum, dass die Wirtschaft nicht mehr wächst oder sogar schrumpft. Das klingt vielleicht erst einmal komisch, aber die Idee dahinter ist, dass wir weniger produzieren und konsumieren, um die Umwelt zu schützen. Verschmutzende Industrien sollen abgewickelt und erneuerbare Energien ausgebaut werden. Außerdem gehören Maßnahmen wie weniger Arbeitszeit oder ein Grundeinkommen zu den Mitteln, die „Degrowth“-Befürworter:innen einsetzen würden, um die Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten.
 

Klimaaktivisten halten ein Plakat hoch: "The climate is changing, why aren't we?"

Warum wir jetzt dringend nachhaltiger leben müssen


Ein Mittelweg: „Postwachstum“

Es gibt auch noch einen Mittelweg, bei dem Wirtschaftswachstum nicht unbedingt das Hauptziel ist. Anhänger:innen der sogenannten „Postwachstumsökonomie“ denken, dass wir flexibel wirtschaften sollten und je nach Situation entscheiden, ob eine Gesellschaft mehr oder weniger Wachstum braucht. Das Streben nach Wachstum sollte dieser Meinung nach nicht im Mittelpunkt stehen, sondern eine bessere Lebensqualität für alle. Durch eine fairere Verteilung des Wohlstands soll sichergestellt werden, dass alle Menschen Glück und Zufriedenheit erreichen können. Viel von dem, was „Degrowth“-Befürworter:innen über eine gerechtere Gesellschaft denken, findet sich auch bei Anhänger:innen der „Postwachstumsökonomie“.
 

Zeit für einen Deep Dive: Das sagt die Forschung


Wenn du richtig tief in die „Wachstumsdebatte“ einsteigen willst, lohnt sich ein Blick in diese beiden Focus Paper der Bertelsmann Stiftung:

• Ökologische Nachhaltigkeit und materieller Wohlstand – Ein Zielkonflikt?

• Wachstum oder Schrumpfung in der sozial-ökologischen Transformation: Eine Frage der Entkopplung

Eine junge Frau sitzt am Laptop und macht sich Notizen


Eine Sache muss auf jeden Fall schrumpfen

Eins steht jedenfalls fest: Es muss viel schneller weniger Ausstoß von Treibhausgasen geben als bisher. Selbst wenn die Weltwirtschaft weiter wachsen soll, müssen wir die sogenannte „Emissionsintensität“ – also den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen pro Euro Bruttoinlandsprodukt (BIP) – drastisch reduzieren. Forscher:innen der Bertelsmann Stiftung haben dazu einen cleveren Rechner entwickelt, der verschiedene Szenarien nachvollziehbar macht. Probier’s doch mal aus!

Nachhaltiges Wirtschaften sowie der Erhalt von Ökosystemen und der biologischen Vielfalt sind auch Anliegen der Bertelsmann Stiftung. Im Projekt „Nachhaltig Wirtschaften“ gehen Expert:innen der Frage nach, wie zukünftige Generationen in Wohlstand leben können, ohne Raubbau an der Erde zu betreiben.