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Kolumne: Suzanna Alkotaish über Patenschaften

Die Syrerin Suzanna Alkotaish über Patenschaften.

Kolumnistin Suzanna Alkotaish: Patenschaften oder syrisch-deutsche Grenzerfahrungen

  • Suzanna Alkotaish
  • Oktober 2017

Suzanna Alkotaish ist 27 Jahre alt, stammt aus Syrien und floh 2015 vor dem Krieg nach Deutschland. Die ausgebildete Journalistin bloggt für uns regelmäßig über ihre Erlebnisse in der neuen Heimat.

Geben, helfen, sich aufopfern – das hat einen hohen Wert. Viele Flüchtlinge wie ich dachten, dass sie während der Schrecken des Kriegs in Syrien verloren gegangen wären. Patenschaften sind deshalb sehr wertvoll. Sie helfen Flüchtlingen, positiv zu denken und wieder Hoffnung im Leben zu finden.

Paten kamen zu uns, sie klopfen an unsere Türen, und boten uns ihre Hilfe zu jeder Zeit an. Sie verbrachten Zeit mit uns, sie halfen uns mit den offiziellen Papieren der Regierung. Außerdem halfen sie uns, zu verstehen, was Leben in Deutschland bedeutet. Und wie man sich integriert.

Patenschaften überwinden Grenzen

Viele syrische Familien betrachten die Paten als Familienmitglied. Sie sagen: „Die Paten tun so viel für uns, was wir niemals erwartet hätten."

Syrische Flüchtlinge fühlen oft eine große Barriere, die sie von den Deutschen trennt. Schließlich kommen sie aus einer völlig anderen Umgebung. Die Paten machen es leichter, das zu überwinden. Die Flüchtlinge fühlen, dass sie jemanden haben, auf den man sich verlassen kann. Jemanden, der ihnen hilft, wieder auf eigenen Füßen zu stehen.
 

Die syrische Journalistin Suzanna Alkotaish (rechts) und ihre Patin Marina Isaak (links).


Ich frage mich immer, warum sie das alles tun, warum sie sich um die Flüchtlinge kümmern. Was erreichen sie für sich selbst oder für die deutsche Gesellschaft, wenn sie die Mittlerrolle zwischen syrischen Flüchtlingen und der deutschen Gesellschaft übernehmen?

„Patenschaften ermöglichen ein besseres Verständnis füreinander. Deshalb sind sie essentiell für eine gute Integration der Flüchtlinge.“

Martina, 31


Um ein paar Antworten zu bekommen, habe ich meine Patin gefragt. Ich habe sie und nach ihrer Meinung zu Patenschaften im Allgemeinen gefragt, warum sie sich so engagiert und sie gebeten, über ihre Erfahrung zu sprechen.

Marina ist 31 Jahre alt und wurde in Kasachstan geboren. Sie sagt:

„Patenschaften sind ein wichtiger Teil unserer sozialen Gesellschaft. Sie entstehen, wenn Menschen sich für andere mitverantwortlich fühlen, sowie Empathie und Mitgefühl für einen völlig Fremden empfinden. Patenschaften ermöglichen ein besseres Verständnis füreinander.

Deshalb sind sie essentiell für eine gute Integration der Flüchtlinge. Sie sind stets Win-Win-Situationen, denn es entstehen Freundschaften über alle kulturellen und religiösen Grenzen hinweg. Sie bereichern das eigene Leben auf ganz besondere Weise.


Die syrische Journalistin Suzanna Alkotaish (links) und ihre Patin Marina Isaak (rechts).


Die Bilder aus dem Fernsehen sowie die Berichte aus den Zeitungen haben mich nicht losgelassen. Ich fühlte mich verantwortlich. Ich wusste noch nicht wie, aber ich wusste, dass ich einfach etwas tun muss. Und ich wollte mir ein eigenes Bild machen von den Menschen, die zu uns kommen. Selbst und vor allem unabhängig von den Berichten über die Silvesternacht in Köln oder ähnlichem.


„Jeder kann etwas tun, im Rahmen seiner Möglichkeiten.“

Martina, 31


Aus Erfahrung kann ich sagen, dass jeder, wirklich jeder etwas tun kann, im Rahmen seiner Möglichkeiten. Ich für mich persönlich habe dabei sehr viel gelernt und meinen Horizont im Allgemeinen, sowie politisch, geschichtlich, kulturell und nicht zuletzt kulinarisch extrem erweitert. Es gab Menschen, die meine Hilfe missbraucht haben und andere, die die Hilfe dankend angenommen und genutzt haben, um weiterzukommen.

Auch haben meine Erfahrungen die Menschen in meinem persönlichen Umfeld dazu gebracht, anders auf die Flüchtlingssituation zu schauen und nicht allen Gerüchten, die kursieren, Glauben zu schenken. Es war wichtig, diese Erfahrungen zu teilen und so mögliche Ängste zu nehmen. So entstanden wiederum neue Patenschaften und Freundschaften. Das und die Erfolge meiner 'Schützlinge' freuen mich am meisten."

Marina hat so viel Gutes für mich getan. Ich bin mir sicher, dass auch andere Paten Flüchtlingen so geholfen haben. Wir können das, was sie alles für uns getan haben, niemals vergessen. Wo immer wir hinkommen, werden sie stets in unseren Herzen und Erinnerungen bleiben.