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Wie die niederländische Hauptstadt schrittweise zur Smart City wird

  • Johannes von Dohnanyi
  • Axel Martens
  • Amsterdam
  • Januar 2017

Seit 2008 wandelt sich Amsterdam peu a peu zur Smart City. Wir zeigen, wie eine Fabrik, die schrottreife Fahrräder wiederverwertet, eine Brauerei, die mit Regenwasser Bier braut, und ein Gründerzentrum ihren außergewöhnlichen Beitrag dazu leisten.

Smart wie die Brauer im Mittelalter: Mit speziellen Behältern fängt Joris Hoebe Regenwasser zum Bierbrauen auf. Das befreundete Brauhaus "de Prael" hilft, den üppig verfügbaren Rohstoff mit diversen Filtern auf Trinkwasserqualität zu veredeln. Ein Konzept, so einfach wie effizient: Das "Hemelwater", zu Deutsch Himmelswasser, ist in Amsterdam schon jetzt ein Geheimtipp. Rund 1.000 Liter stellt Hoebe jede Woche her und gewinnt immer mehr Kunden. Ein Genehmigungsantrag für mehr Regenwasserbehälter läuft bereits. Doch der Mediencoach und Startup-Unternehmer hat noch größere Pläne: Auf den Flachdächern der Stadt will er Hopfen und Malz anbauen. Dann würden alle Zutaten für sein Bier quasi vom Himmel fallen. Hoebes Idee ist genial und passt perfekt in eine Stadt, die verrückte Geschäftsideen zu schätzen weiß. Ganz Smart City eben.

Neues Leben für Schrotträder - und eine zweite Chance für Menschen

Kaum weniger ungewöhnlich ist das Projekt des Maschinenbauingenieurs Mark Tiemen ter Hoeven und seines Freundes Mark Groot Wassink. Gemeinsam gründeten sie "Roetz Bikes", eine Fabrik, die Schrotträdern neues Leben schenkt. Wie das geht? In bestimmten Gemeinden darf "Roetz" Fahrräder, die sonst auf dem Schrott landen würden, kostenlos einsammeln. Das Ziel der beiden Startup-Gründer: Die Wiederverwertungsquote alter Räder soll von aktuell 40 auf 90 Prozent gesteigert werden. Unter den Amsterdamer Radlern ist es inzwischen schick, auf einem Roetz-Rad unterwegs zu sein.

Das hat auch mit den Mitarbeitern zu tun, die auf dem normalen Arbeitsmarkt kaum mehr eine Chance hätten: Viele der über 20 Beschäftigten von "Roetz Bikes" sind Langzeitarbeitslose, ehemalige Sträflinge oder Drogen- und Alkoholabhängige. "Wir geben ihnen ihre Würde zurück", sagt Hoeven ein bisschen stolz. Seit kurzem bietet Roetz sogar ein von den Mitarbeitern entworfenes E-Bike an.

Frischer Wind im Hafengebiet

In Amsterdam wird selbst der Hafen smart. Dafür sorgt das Gründerzentrum "Prodock", das der studierte Jurist Roon van Maanen 2015 als Konzept präsentierte. Nur acht Monate später war aus der Idee ein Bürokomplex in einer Lagerhalle direkt am Hafen geworden und die erste Bewerbungsrunde mit vielversprechenden Projekten abgeschlossen. Die Zauberformel heißt "plug and play": Bei Prodock können Unternehmen ihr neues Produkt oder ihren neuen Prozess im Kleinen testen und bei Erfolg direkt einsetzen, um den Hafen besser und effizienter zu machen. So entwickelt beispielsweise "30 Mhz present" Sensoren für die Überwachung kritischer Hafen-Infrastruktur und ein Drohnen-Startup will Öltanks oder Rohrleitungen aus der Luft untersuchen. Ein anderes Unternehmen tüftelt an Programmen für den 3D-Druck wichtiger Ersatzteile. Van Maanen ist sich sicher: "Die neuen Technologien werden die eigentlich konservative Hafen-Community verändern."